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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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Hintern an.«
    »Dazu müsste ich eine Giraffe sein«, pampte ich zurück. »Maul mich nicht an«, sagte Dottie. »Ich hab dich nicht geschubst.«
    »Wo ist euer Haus?«, fragte ich Rose genervt.
    »Da«, sagte Rose und zeigte wieder ins Nichts.
    »Ich sehe keins. Wohnt ihr überhaupt in einem Haus?«
    »Hey«, sagte Dottie.
    »Tut mir leid.« Ich versuchte, mir den Matsch von Unterhose und Oberschenkeln zu wischen. »Aber es wird bald dunkel, und wir müssen irgendwie nach Hause kommen.«
    Das Grollen wurde lauter.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte ich.
    »Klingt wie ein Knurren«, sagte Dottie.
    »Das ist Bigger«, sagte Rose.
    »Wer oder was ist Bigger?«, fragte ich.
    Ungefähr dreißig Sekunden später wussten wir es.
    Bigger war ein riesiger brauner Hund mit kurzen, spitzen Ohren. Von seinem Maul troff rosafarbener Sabber. Er war mit einer dicken, rostigen Kette an einem Baum angebunden. Bei Rose’ Anblick schien in seinem unterbelichteten Hirn ein winziges Lämpchen anzugehen, denn etwa fünf Sekunden lang wackelte er mit seinem räudigen Stummelschwanz. Dann wurde ihm klar, dass er Dottie und mich noch nie gesehen hatte.
    Wir machten einen Satz zurück, als er mit gefletschten Zähnen auf uns losging. Die Kette war zum Zerreißen gespannt. »Nichts wie weg hier, Dottie«, drängte ich, doch sie zeigte auf etwas.
    »Jesses, guck dir das an.«
    Nicht weit von Bigger entfernt hing eine Hirschkuh am Hals aufgeknüpft in einer Kiefer. Ihre Zunge baumelte in einer ekligen bräunlich rosa Masse heraus. Ihr Bauch war aufgerissen, und die Eingeweide hingen bis zum Boden. Ich hoffte, dass sie schon tot gewesen war, bevor jemand sie da aufgehängt hatte.
    »Bigger beißt nicht«, sagte Rose.
    »Wer zum Teufel seid ihr?«, rief eine drohende Männerstimme, und wir fuhren erschrocken herum.
    Etwa drei Meter vor uns stand ein Riese von Mann. Sein schmutziger, grau-brauner Bart hing ihm auf die Brust wie ausgespuckte Rouladenfäden. Sein Flanellhemd war wohl mal rot und schwarz gewesen, aber das musste schon ziemlich lange her sein. Auf seinen verwaschenen Jeans waren lauter Flecken, die aussahen wie getrocknetes und frisches Blut. In der Hand hielt er eine schmutzige Schaufel.
    »Das ist mein Poppy«, sagte Rose. »Und das sind Dottie und Florine. Sie haben mich nach Hause gebracht. Ich hatte Angst vor den Russen.«
    »Was redest du denn da für ‘n Quatsch, Rose?«, sagte Poppy.
    Dottie und ich wichen ein paar Schritte zurück.
    »Was ist mit den Russen, Rose?«, fragte Poppy erneut. »Bigger, halt die Schnauze, du verdammter Köter.« Er holte aus und schlug dem Hund mit der Schaufel auf den Kopf. Bigger jaulte auf und verkroch sich winselnd ans andere Ende seiner Kette.
    »Wisst ihr, wovon sie redet?«, fragte Poppy uns, und wir blieben stehen, damit wir uns nicht auch noch einen Schlag mit der Schaufel einfingen.
    »Der Präsident ist tot«, sagte ich. »Er ist erschossen worden.«
    Poppy lachte laut und schallend wie ein Wintervollmond. Dann verstummte er abrupt. »Was du nicht sagst. Hat jemand endlich so viel Verstand gehabt, ihm das Hirn wegzublasen? Das ist ein guter Tag, Rose.«
    Er strubbelte ihr mit der Hand durchs Haar, genau wie Daddy es manchmal bei mir machte. Plötzlich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein.
    »Wo wohnt ihr?«, fragte Poppy. »Hier in der Nähe?« Er trat einen Schritt auf uns zu.
    »In Spruce Point«, antwortete Dottie rasch. Der Ort lag zehn Meilen von uns entfernt. »Wir müssen los. Wir sehen uns in der Schule, Rose.« Dann stieß sie mich an, damit ich mich in Bewegung setzte.
    Als Rose »Tschüs« sagte, rannten wir los, überzeugt, dass wir jeden Moment den heißen Höllenatem von Bigger im Nacken spüren würden oder Poppys Schaufel, die sich in unseren Schädel grub. Wir rannten immer noch, als wir an der Route ioo ankamen, und weiter auf dem Weg nach The Point, das drei Meilen entfernt war.
    Als wir hinter uns ein Auto kommen hörten, rief Dottie »Deckung!«, und wir warfen uns in den Straßengraben. Das Auto zischte vorüber, und erst als das Motorengeräusch verklungen war, standen wir wieder auf. Wir rannten, gingen und fielen in den Graben. Wir zerrissen uns die Kleider und zerkratzten uns Beine, Arme und Hände. Bei Einbruch der Dämmerung erreichten wir Rays Laden. Genau in dem Moment bog Daddys Pick-up um die Ecke. Er hielt an, und er und Bert sprangen heraus.
    »Wo warst du?«, brüllte Daddy, packte mich an den Schultern und schüttelte

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