Rubinrotes Herz, eisblaue See
rauchte er nicht.
»Schön, nachdem wir das erledigt haben, können wir ja jetzt zum Bier übergehen«, sagte Susan. Bud griff hinter sich, und ich hörte eine Papiertüte rascheln. Er holte eine große Dose ‘Gansett hervor und reichte sie mir. Ich lehnte mich an das Geländer und öffnete den Verschluss. Ich hatte noch nie zuvor eine ganze Dose Bier getrunken, und erst recht keine mit einem halben Liter. Aber ich hatte gesehen, wie sie runtergekippt, ausgerülpst und in den Schnee gepinkelt wurden. All das konnte ich auch, und ich nahm an, dass das Bier mit mir wohl nichts anderes machen würde.
Kevin stellte sich neben mich. Die Härchen an unseren Armen berührten sich, und ich rieb mir über die Haut, um das Kitzeln zu unterdrücken. Bud und Susan, die in dem grauschwarzen Zwielicht nur als Umrisse zu erkennen waren, standen uns gegenüber. Wir tranken alle einen Schluck von unserem Bier.
Dann sagte Kevin zu mir: »Wie wär’s, wenn du mir ein bisschen die Gegend zeigst?«
»Geh doch mit ihm über die Felsen runter zu dem kleinen Strand«, schlug Susan vor.
»Aber seid vorsichtig. Da ist es ziemlich glatt«, sagte Bud.
»Das weiß ich selber«, gab ich zurück.
»Ich weiß, und ich an deiner Stelle hätte Schiss, mir auf den Felsen den Schädel einzuschlagen.«
»Sie ist ein großes Mädchen, Buddy«, sagte Susan. »Sie kann allein auf sich aufpassen.«
»Nehmt mein Feuerzeug mit«, sagte Bud und reichte es Kevin.
Im schwachen Schein des Feuerzeugs sah der Pfad aus wie eine weiße Schlange, die sich zum Strand hinunterwand. Dann verschwand die Schlange unter einer Mauer aus Felsbrocken.
»Wir müssen um diese Felsen herum«, sagte ich. Kevin legte seine eine Hand auf meine Schulter und hielt mit der anderen das Feuerzeug hoch. »Und dann hier entlang. Achtung, jetzt geht’s runter.« Ich hatte es kaum ausgesprochen, da knickte ich um und fiel, und dann saß ich auf meinem Hintern und zischte vor Schmerz durch die Zähne. Gluckernd lief das Bier aus meiner Dose in den Sand. Kevin richtete sie auf und kniete sich neben mich. »Alles okay?«, fragte er.
»Schon gut«, japste ich. »Nicht weiter schlimm.«
»Danach hört sich’s aber nicht an«, sagte Kevin. »Halt dich an mir fest.« Er half mir, zu einem der Felsen zu hoppeln und mich hinzusetzen. Mit dem flackernden Feuerzeug leuchtete er auf meinen Fuß.
»Na toll«, sagte ich. Ich hatte meine ausgeblichenen blauen Turnschuhe an, die ich nur noch zu Hause trug. Sie waren zu klein, und meine wachsenden Füße hatten am großen und am kleinen Zeh Löcher in den Stoff gebohrt. Sie sahen furchtbar aus, und ich legte die Hände über die Augen.
Doch Kevin sagte nichts zu den Löchern, und seine Hände waren sanft. Er stützte meinen Fuß ab und löste vorsichtig die Schnürsenkel. »Doppelknoten, hm?« Er lächelte mich an. »Mache ich auch immer.« Er zog mir den Schuh aus und umfasste meinen nackten Fuß mit seiner Hand. Dann hielt er das Feuerzeug dicht an meinen Knöchel, sodass die Haut ganz warm wurde, während er ihn musterte.
»Probier mal, ob du den Fuß bewegen kannst«, sagte er.
Ich zuckte vor Schmerz zusammen, aber es ging.
»Und jetzt die Zehen.« Auch das ging.
»Nichts Schlimmes passiert.« Er reichte mir mein Bier. »Trink einen Schluck.« Es schmeckte wie kaltes Metall, aber es nahm dem Schmerz ein wenig die Schärfe.
Kevin setzte sich neben mich.
»Geht’s wieder?«, fragte er. Ich nickte, und er strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Du hast unglaublich tolle Haare«, sagte er. »So wild wie ein Fluss im Frühling.« Er legte seine Lippen an mein Ohr und flüsterte: »Ich finde dich schön.«
Ich kicherte, und dabei bewegte ich versehentlich meinen Knöchel. Der Schmerz durchzuckte mich wie eine Gewehrkugel.
»Bist du sicher, dass alles okay ist?«, fragte Kevin, als er sah, wie ich das Gesicht verzog. »Ja.«
»Gut.« Er nahm meine Hand und küsste sie. »Denn alles, was wir haben, ist dieser Augenblick. Stell dir vor, in einer halben Stunde würde die Welt untergehen, und das ist die ganze Zeit, die dir noch bleibt. Wärst du da nicht lieber zu zweit als allein?«
Bevor ich einen Lachanfall wegen seines Geschwafels kriegen konnte, war seine Zunge in meinem Mund, meine Zunge berührte seine, und dann lagen wir im Sand, er halb auf mir, und wir küssten uns wie die Besessenen. Kevin schob seine Hand zwischen meine Beine und drückte. Ich stöhnte, und er tat es noch einmal.
»Gut so?«, fragte er.
Er
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