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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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hin. Dann fragte ich: »Wie weit war sie denn?«
    »Erst ein paar Wochen.«
    »Ich wusste nicht, dass Frauen mit fünfundvierzig noch schwanger werden können.«
    »Kommt nicht oft vor, aber möglich ist es schon«, sagte Grand. »Ich war fünfunddreißig, als ich Leeman bekam. Für die damalige Zeit war das steinalt.«
    »Tut mir leid, dass ich gemein war.«
    »Vergiss nicht, das auch Jesus zu sagen«, mahnte Grand. »Ich habe Stella und Leeman zum Abendessen eingeladen, und da dachte ich mir, ich kann eigentlich auch die anderen dazuladen. Wir machen irgendwas Einfaches. Bald kommt der Winter, und wir haben schon lange nicht mehr alle zusammengesessen. Das ist eine Sünde. Nicht mehr lange, und ihr Kinder verschwindet in alle Himmelsrichtungen, und dann ist es zu spät.«
    Grand und ich bereiteten für das Samstagsessen Bohnen, süße Brötchen und Hotdogs zu, Madeline brachte dunkles Brot mit, und Ida hatte einen Apple Crumble gebacken. Alle aus The Point kamen, außer Bud, der mit Susan unterwegs war. Dottie, Glen, Evie, Maureen und ich setzten uns ins Wohnzimmer und aßen von Tabletts, weil der Platz in der Küche nicht für alle reichte.
    Stella war zittrig und blass und wich Daddy nicht von der Seite. Ab und zu, wenn wir im gleichen Raum waren, ertappte ich sie dabei, wie sie mich ansah und dann rasch zur Seite blickte. Vielleicht überlegte sie, ob das Kind, das sie verloren hatte, so ähnlich ausgesehen hätte wie ich, nur mit einer Narbe im Gesicht.

31
     
    Der Winter brachte Grand eine erneute Grippe und mehrere schlimme Erkältungen. Sie kämpfte tapfer dagegen an, mit Medikamenten und selbst gemachten Hausmitteln aus Honig, Ginger Ale und Canada Mints. Sie trank starken, heißen Tee, bis ihr der Dampf aus den Ohren kam, und griff aus medizinischen Gründen sogar zum Whiskey.
    »Ich verstehe nicht, warum ich das nicht loswerde«, sagte sie. »Ich komme mir so töricht vor.«
    Ich kochte Suppen und Eintöpfe und vergewisserte mich, dass sie alles hatte, was sie brauchte, bevor ich mich auf den Weg zur Schule machte. Meistens war sie auf den Beinen, wenn ich ging, aber es war nicht zu übersehen, dass etwas Hartnäckiges sie am Wickel hatte, und wenn ich nachmittags nach Hause kam, lag sie meistens auf dem Sofa und schlief oder sah fern.
    Irgendwann beschloss Susan, wieder mit mir zu reden, obwohl sie nicht halb so freundlich war wie früher. »Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe«, sagte sie. »Ich glaube, ich war eifersüchtig, weil ihr mich nicht mitgenommen habt. Aber Bud hat mir gesagt, du bist für ihn wie eine Schwester.«
    Ich sagte ihr nicht, dass Bud für mich keineswegs wie ein Bruder war. Überhaupt fiel es mir zu der Zeit schwer, für irgendein männliches Wesen, das mir ins Auge fiel oder meinen Arm streifte oder sich auch nur im näheren Umkreis aufhielt, geschwisterliche Gefühle zu entwickeln. Unter meiner Haut glühte es.
    Im Mai 1969, zwei Monate vor der Mondlandung, wurde ich siebzehn. Grand nannte mich Fräulein Wankelmut, weil meine Aufmerksamkeit und meine Stimmungen schwankten, flackerten und blakten wie eine tropfende Kerze. Tagsüber arbeitete ich im Garten, backte Brot oder saß auf der Veranda und winkte den Booten zu. Nachts rieb ich mich an meiner Decke, die ich mir zusammengerollt zwischen die Beine schob. Ich wusste nicht, wohin mit mir vor lauter Hunger und Sehnsucht danach, zu berühren und berührt zu werden. Diese Sehnsucht fühlte sich wirklicher an als der Rest meines Lebens.
    Der Frühling stieß gegen den Sommer, entschuldigte sich und eilte weiter. Wir sahen zu, wie der erste Mensch auf dem Mond landete, staunten über dieses Wunder, und dann war es vorbei, und wir alle landeten wieder auf der Erde.
    »Wer weiß, vielleicht haben sie da oben ja Carlie getroffen«, sagte ich zu Dottie, an einem der seltenen Tage, die wir zusammen verbrachten.
    Sie arbeitete den Sommer über als Wanderführerin im Naturschutzgebiet. Es war interessant, sagte sie, wenn es sie nicht gerade wahnsinnig machte. Sie hatte immer tolle Geschichten zu erzählen. »Neulich war wieder so ein Dämlack dabei. Ich sag zu dem Kerl: >Das ist Giftsumach, den sollten Sie besser nicht anfassen<, aber natürlich macht er’s trotzdem. >Das ist kein Giftsumach<, sagt er, und ich sag: >Doch, ist es<, und dann bin ich weitergegangen. Und was glaubst du, ‘ne Woche später kommt er anmarschiert, als ich mich gerade mit ein paar Mädchen vom YMCA-Camp unterhalte, dreht mir seine Kehrseite zu, zieht

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