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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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mir, daß Herr Löhlein eines Abends, als er die Mutter wieder einmal nach dem Theater nach Hause gebracht hatte, nicht an der Tür nach einem Handkuß gehen wollte. Er habe gezögert, habe sie im Gesicht und am Hals gestreichelt und ihre Hände genommen, und sie habe ihn gefragt, was ihm denn einfalle, ob etwas mit ihm nicht in Ordnung sei. Da habe er gesagt:
    »Kater sucht Kätzchen.«
    Ich mußte lachen.
    »Ohgott, das meiner Mutter!«
    Daraufhin, erzählte Luisa weiter, habe sie ihn weggeschickt und jeden Kontakt zu ihm abgebrochen. Sie wollte von diesem Mann nichts mehr hören. Es sei schlimm genug, ihn sehen zu müssen.
    Wir schwiegen.
    »Brummer sucht Löhlein«, sagte ich.
    Aber wir konnten beide nicht darüber lachen.

Frau Janowiak, Frau Janowiak, ich kann Sie sehen!
    D ER ELEKTRIKER IST WIEDER WEG. Er muß denken, daß ich verrückt bin. Ich habe ihm ein viel zu großes Trinkgeld gegeben, und er hat mich angesehen mit diesem prüfenden, besorgten Blick, mit dem man auf quengelnde Kinder, debile Alte oder eben durchgedrehte Frauen schaut. Aber er hat die Lampe repariert und dabei die Spinne an ihrem Platz gelassen und ihr fein gewebtes Netz zwischen Lampenkabel und Zimmerdecke nicht zerstört.
    Als er auf die Leiter stieg und ich zu ihm hochsah, ließ sie sich gerade an einem Faden herunter. In diesem Augenblick passierte irgend etwas in mir, das ich nicht erklären kann - eine Explosion aus Erinnerungen und Gefühlen, und ich stürzte auf die Leiter zu, breitete die Arme aus und rief: »Meine Mutter, meine Mutter!«
    Er war abrupt auf der dritten Sprosse stehengeblieben und hatte mich entgeistert angestarrt. Was hätte ich ihm erklären können?
    Die Tränen standen mir in den Augen, ich konnte gar nichts sagen, nichts erklären, schon gar nicht diesem wildfremden Elektriker.
    »Meine Mutter!« sagte ich statt dessen nur noch einmal leise, und um überhaupt noch irgendwas zu retten, fügte ich hinzu:
    »Meine Mutter hat früher so was immer repariert - aber sie ist tot.«
    Und dann zeigte ich auf die Spinne und ihr zartes kleines Netz:
    »Bitte«, sagte ich, »machen Sie das nicht kaputt!«
    Er nickte, kletterte weiter hoch, schraubte die Lampe mit der zerborstenen Birne und der defekten Fassung aus der Decke und kam wieder herunter von der Leiter. Er setzte sich an meinen Küchentisch und nahm die Lampe auseinander, nachdem er noch einen raschen, besorgten Blick auf mich geworfen hatte.
    Ich wusch den verschmierten Lampenschirm mit dem Spülschwamm unter fließendem warmen Wasser sauber. Er entfernte die Scherben der geplatzten Glühbirne aus der alten Fassung, setzte eine neue Fassung, eine neue Birne ein, nahm den Schirm, nachdem ich ihn sorgfältig abgetrocknet hatte, und schraubte das Ganze wieder zusammen.
    Es gab keinen Mann in meinem Leben, der eine so einfache Reparatur für mich hätte machen können. Ich war zu ungeschickt und zu ängstlich dazu, und meine Mutter, die sich energisch an alles gewagt hatte, war seit einem halben Jahr tot und fehlte mir entsetzlich. Wie verloren, wurzellos ging ich umher und suchte sie auf dem Weg zum Bäcker, zum Supermarkt, zur Post, hoffte bei der Rückkehr in diese für mich allein so große und stille Wohnung, sie würde doch plötzlich wieder dasein und ich würde sie an der Nähmaschine, am Klavier, mit dem Staubsauger hören, wenn ich heimkäme. Es blieb still, sie war verschwunden. Wohin? Wohin gehen die Toten, wenn sie uns verlassen? Wir sind auf ihr plötzliches und so endgültiges Verschwinden niemals richtig vorbereitet. Aber jetzt, während ich diesem Mann zusah, der die Lampe wieder an der Decke befestigte, jetzt hatte ich zum erstenmal das Gefühl: sie ist da, sie ist in meiner Nähe, sie schaut auf mich, hier, in unserer Küche.
    »Vorsicht!« sagte ich zu dem Elektriker, als er sich an der Zimmerdecke zu schaffen machte, und: »Ich weiß schon«, nickte er und schraubte, und ich sah sehr wohl, daß er zu dem Spinnennetz schaute und es gern mit einer einfachen Bewegung seines Schraubenziehers weggewischt hätte. Er tat es nicht.
    Er war fertig und kam die Leiter wieder herunter. Keine zehn Minuten hatte er für all das gebraucht, und nun kippte er die Sicherung wieder zurück, drückte auf den Schalter, und die Lampe brannte. »Brennt«, sagte er überflüssigerweise und sah mich an, wie man eben eine Frau ansieht, die plötzlich aus heiterem Himmel »Meine Mutter! Meine Mutter!« schreit und die ein Spinnennetz nicht wegwischt, wie es doch jede

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