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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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»Na, ist schon was passiert?«
    »Abwarten«, sage ich dann, »noch rudern sie.«

Herr Löhlein
    D AS IST HERR LÖHLEIN«, sagte meine Mutter und zeigte auf einen alten Herrn, der sich mit einer Mischung aus Zackigkeit und Eleganz, die eine Rücksichtnahme auf ein empfindliches Kreuz nicht verhehlen konnte, aus dem rosafarbenen Sofa erhob.
    Rosa war nach dem Tod meines Vaters die bevorzugte Farbe im Leben meiner Mutter geworden. Rosa Sofa, rosa Sessel, rosa Zierkissen. Rosa Topflappen, rosafarbene Badezimmerteppiche, rosa Handtücher sowieso. Sie wollte nach der dreißigjährigen, nicht immer glücklichen Ehe und nach dem langen Sterben meines Vaters wieder ein junges Mädchen sein, das unschuldige junge Ding von damals, das wohlbehütet aufgewachsen die Geheimnisse des Lebens noch vor sich hatte. Und doch entkam sie in ihrer rosafarbenen Welt nicht der Realität des Alters, das mit kleinen Gebrechen und dem Wegsterben der Freunde und Bekannten erbarmungslos war. Neben den neu gerahmten Bildern aus ihrer Kindheit und Jugend vergilbte und verstaubte das Bild meines Vaters auf der Anrichte.
    »Löhlein mein Name. Angenehm. Sie sind sicher der Herr Sohn.
    Ihre Frau Mutter hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
    Da stand er, leicht eingeknickt, vom Couchtisch mit dem rosa Zierdeckchen am Geradestehen gehindert. Er trug eine hellblaue Hose mit perfekter Bügelfalte, ein weißes Hemd, einen dunkelblauen Blazer mit goldfarbenen Knöpfen und eine Fliege, auf der - ich hätte es nicht erfinden können - Fliegen abgebildet waren, Stubenfliegen. Er hatte die schlanke Figur meines Vaters, einen gepflegten, kurz über den Lippen gestutzten Schnauzer, darüber eine markante Nase, grauweiße Haare, so daß mich seine ganze Erscheinung an Hans Albers erinnerte, der ein Idol meiner Mutter gewesen war. Eine stattliche Erscheinung, braungebrannt, drahtig, altersfroh irgendwie, aber auch leichtfüßig, leichtgewichtig, einen Hauch windig. Erfüllte sich da für sie der Jungmädchentraum im Auftauchen eines alten Hans Albers? Zu schön, dachte ich.
    »Ich bin Karl«, sagte ich und gab ihm die Hand.
    »Das weiß ich, junger Mann!«
    Ich war damals achtundvierzig und fand es in Ordnung, daß der etwa Achtzigjährige mich junger Mann nannte.
    »Das ist Luisa, meine Frau«, sagte ich.
    Er trat behende einen Schritt beiseite, um den ihn behindernden Couchtisch zu umgehen, stand dann kerzengerade, fast steif da und gab Luisa einen perfekten Handkuß.
    »Meine Verehrung, Madame«, sagte er.
    »Madame!« flötete meine Mutter, ihre Unsicherheit überspielend.
    Ich merkte, daß sie diese Situation gerne vermieden hätte. Doch wir waren über eine Stunde zu früh gekommen, hatten sie überrascht, ehe sie ihren neuen Freund, oder was auch immer er war, hatte loswerden können.
    »Madame, das haben Sie zu mir noch nie gesagt, Herr Löhlein!«
    Er lächelte fahrig, überging ansonsten ihren Einwurf und machte sich daran, aufzubrechen.
    »Setzen Sie sich doch, Herr Löhlein.«
    »Nein, nein, danke, aber -«
    »Ich mache uns Tee!«
    »Ich muß -«
    »Das ist Luisa, meine Schwiegertochter«, sagte meine Mutter überflüssigerweise.
    »Oh -«, sagte er.
    Er hatte sich nach kurzer Unsicherheit wieder gefangen und wollte uns zeigen, wie sehr er bereits dazugehörte.
    »Oh, die Familienverhältnisse sind mir ja durchaus bekannt. Ich muß gehen. Schön, Sie kennengelernt zu haben, so hat man doch die Personen zu den Geschichten, nicht wahr.«
    Er gab mir einen kräftigen Händedruck, Luisa noch einen Handkuß und ging. Die Verabschiedung von meiner Mutter sahen wir nicht, denn sie fand im Flur statt. Ich merkte aber, daß sie froh war, ihn jetzt loszuwerden, daß ihre Einladung, zu bleiben, nur Höflichkeit gewesen war. Und auch er, da war ich mir sicher, war erleichtert.
    Mit roten Aufgeregtheitsbäckchen kam sie zurück und entzog sich unseren fragenden Blicken sofort in die Küche, wo sie umständlich und laut klappernd Tee kochte.
    Wir machten es uns in den Sesseln bequem, suchten flink und vergeblich den Raum nach Veränderungen ab, schauten uns an und mußten kichern, denn wir dachten beide dasselbe.
    »Ein Löhlein macht noch keinen Brummer«, flüsterte Luisa.
    Da war es wieder, dieses Weißt-du-noch-Gefühl, das Menschen immer wieder haben, die sehr lange zusammen sind.
    Es war in den frühen sechziger Jahren. Wir studierten beide in Berlin, waren frisch verliebt und übermütig und noch von den politischen Ereignissen verschont geblieben. Luisa

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