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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Zahnschmerztabletten hatten wir immer im Haus, also, warum nicht, vorsichtshalber? Ich begann, eine Tasche zu packen.
    Aspirin, Hustensaft, Dolomo, ich kochte Tee und füllte ihn in die Thermoskanne, und eine Wärmflasche präparierte ich auch.
    Walter saß im Bärenkostüm, allerdings jetzt ohne Kopf, am Tisch und sah mir zu.
    »Sonst noch was«, sagte er verächtlich.
    »Ich war mal in einem Zug ohne Heizung, von Bonn bis Wien«, sagte ich, »das ist furchtbar, man friert sich tot. Vielleicht ist keine Heizung in seinem Zug«, und aus Trotz holte ich noch die blaue Wolldecke, die Walter besonders gern mochte. Er kniff die Lippen zusammen und sagte nichts.
    Ich plünderte den Apothekenschrank im Bad und legte Hansaplast und Wundsalbe in die Tasche, nur die Tabletten gegen Menstruationsschmerzen ließ ich liegen.
    Der Hund steckte seine Nase in die Tasche, wedelte mit dem Schwanz und freute sich darüber, daß es nun wohl bald auf Reisen ging. Er sah das Leben immer eins zu eins, und er nahm alles, was sich ereignete, als günstige Wendung für sein Hundeleben an. Es war ein sehr törichter Hund, aber ich liebte ihn nun mal. Er hieß eigentlich Purzel, aber Walter nannte ihn Kuno und versuchte, ihm »Sitz! Platz! Fuß!« beizubringen, bis jetzt aber vergeblich. Ich hatte Purzelchen aus dem Tierheim geholt, als ich noch allein war, und Walter konnte sich zuerst ein Leben mit einem Tier gar nicht vorstellen. Aber dann sah er in ihm eine Aufgabe und fand, ein Hund müsse in erster Linie mal parieren. Der Meinung war ich gar nicht, ich dachte, ein Hund müßte in erster Linie dafür sorgen, daß Pfotentapsen auf allzu ordentliche Teppiche und Haare auf keimfreie Sofas kämen und daß Post und Schuhe ein bißchen angeknabbert würden. Aber das sagte ich natürlich nicht.
    Albert war Antiquitätenhändler, immer unterwegs nach schönen Dingen für seinen Schwabinger Laden. Vielleicht hatte er sich an einem alten Möbel verletzt, geklemmt, geschnitten - er brauchte Schmerztabletten aller Art, Mullbinden, Watte, Jod, reinen Alkohol.
    Wir waren gut ausgestattet.
    »Vielleicht gibt es in dem Zug nichts zu essen«, überlegte ich und schmierte vier dicke Butterbrote und belegte sie mit Salami und Käse. Walter nahm sich ein Salamibrot und biß hinein. »Ich habe auch Hunger«, sagte er mürrisch, »falls das irgendwen interessiert.«
    Dem Hund tropfte der Speichel aus dem Maul auf den Küchenboden, bis mir ein Stück Salami wie zufällig aus der Hand rutschte und ihn glücklich machte. Walter verkniff es sich, zu sagen: »Der Hund soll am Tisch nicht gefüttert werden!«, und ich rechnete ihm das irgendwie als Pluspunkt an. Pluspunkte, fand ich, brauchte er jetzt dringend. Ich wickelte die Brote gut ein, legte das, was wir an Äpfeln, Schokolade, Mandarinen hatten, noch dazu.
    Die Tasche war fast voll. Wir hatten noch knappe zwanzig Minuten Zeit, und ich dachte nach.
    »Vielleicht will er dir ja endlich die zweitausend Mark zurückgeben«, sagte Walter. Ich antwortete darauf nicht, ging suchend durch die Wohnung und packte aktuelle Zeitungen, ein spannendes Buch, Zigaretten, Streichhölzer in die Tasche.
    Was konnte ein Mann, der nachts in Not anrief, noch brauchen?
    Ich stattete den kleinen Kassettenrecorder mit frischen Batterien aus, legte die Kopfhörer dazu und ein paar Kassetten mit Mozart, Bach und Deep Purple, Smoke on the water and fire in the sky, und Walter sagte: »Das siehst du alles nie wieder.«
    Um Viertel vor zwei war ich gerüstet. Ich ging noch einmal alles durch, was ich eingepackt hatte, und siehe, es war gut.
    »Was ist«, fragte ich Walter, »gehst du mit oder nicht?«
    Mit dieser Entscheidung hatte er schon die ganze Zeit gekämpft.
    Einerseits hatte er überhaupt keine Lust, in der kalten Nacht noch zum Bahnhof zu fahren. Andererseits wollte er mich so allein auch nicht ziehen lassen, und wer garantierte denn, daß ich nicht in den Zug stieg und...
    »Der Hund muß sowieso noch mal raus«, sagte er, stand auf und nahm die Leine.
    Kuno-Purzel tobte übermütig herum und freute sich, ich nahm die prallvolle Tasche und zog den Mantel über mein Sträflingskostüm.
    »Dann los«, sagte ich. Wir schlössen die Wohnung ab, der Hund sprang glücklich vor uns her die Treppe hinunter und hüpfte ins eiskalte Auto, und dann fuhren wir zum Bahnhof, der Hund, der Bär und der Sträfling, in bitterer Kälte, bepackt mit einer Tasche, die alles enthielt, was ein einsamer Mann in einem nächtlichen Zug eventuell

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