Ruf der Wildnis
Le-Barge-Sees auf. Schneetreiben, ein Sturm, der wie mit weißglühenden Messern schnitt, und frühe Dunkelheit hatten sie gezwungen, den erstbesten Lagerplatz zu nehmen. Hinter ihrem Rücken stieg eine senkrechte Felsmauer auf. Perrault und François lagerten auf dem Eis des Sees, breiteten ihre Schlafsäcke aus und zündeten ein Feuer an. Das Zelt hatten sie in Dyea zurückgelassen, um die Ladung zu erleichtern. Sie warfen ein paar Treibhölzer auf das bescheidene Feuer, das sich in das Eis einfraß und bald wieder verlöschte. Sie aßen ihr kärgliches Abendbrot im Dunkeln.
Dicht unter dem schützenden Felsen grub sich Buck sein Nest. So gemütlich und warm war es dort, daß er es nur widerwillig verließ, als François die am Feuer aufgetauten Fische verteilte. Als Buck wieder zu seiner Schlafstätte zurückkam, fand er sie besetzt. Ein warnendes Knurren sagte ihm, daß Spitz der Eindringling war. Bis jetzt hatte Buck Zusammenstöße mit seinem Feind vermieden, doch dies war zuviel. Das Raubtier in ihm brüllte auf, und er sprang mit einer Wut auf den Leithund los, die ihn selbst überraschte und noch mehr Spitz, der bisher geglaubt hatte, daß sein Rivale ein furchtsamer Kerl sei, der sich nur durch seine Größe behaupten konnte.
Auch François wunderte sich, als die beiden Hunde plötzlich in einem Knäuel aus dem zerstörten Nest herausschossen. Er ahnte den Grund des Streites und feuerte Buck an. »Faß an«, rief er, »gib’s ihm, bei Gott, dem schmutzigen Dieb!«
Spitz hatte es nicht leicht. Buck ließ ihn nicht an sich herankommen. Sie umkreisten einander und suchten nach einer Blöße, um dann zum tödlichen Angriff überzugehen. Es wäre gewiß zu jenem Kampf auf Leben und Tod um die Vorherrschaft gekommen, wenn nicht ein unerwartetes Ereignis die Entscheidung auf lange Zeit hinausgeschoben hätte.
Ein Fluch Perraults, der hohle Schlag eines Stockes auf ein Knochengerüst und schrilles Schmerzensgekläff übertönten auf einmal den Lärm des Kampfes. Das Lager wimmelte plötzlich von schleichenden, struppigen Leibern – halb verhungerten Eskimohunden, die das Lager von irgendeinem Indianerdorf aus gewittert hatten. Während Buck und Spitz die Aufmerksamkeit der anderen auf sich gelenkt hatten, waren sie herangekrochen., und als die zwei Männer mit festen Knüppeln unter sie sprangen, zeigten sie ihre Zähne und wehrten sich. Durch den Geruch des Proviants waren die ausgehungerten Köter in Raserei geraten, sie fielen über eine umgestürzte Kiste her und ließen sich auch durch die hageldicht niedersausenden Hiebe nicht eher vertreiben, bis das letzte Stückchen Speck und die letzte Brotkrume aufgefressen waren.
Als die überraschten Zughunde aus ihren Nestern hervorstoben, stürzten sich die grimmigen Eindringlinge sofort auf sie. Niemals hatte Buck je zuvor solche Biester gesehen. So mager waren sie, daß ihre Knochen durch das Fell zu stechen schienen. Sie sahen aus wie mit schmutzigen Häuten behängte Skelette, ihre Augen brannten, und aus ihren Rachen troff Geifer. Ihr wahnsinniger Hunger machte sie schrecklich, unwiderstehlich.
Beim ersten Ansturm schon wurden die Schlittenhunde gegen die Klippe zurückgefegt. Buck allein wurde von drei Huskies umringt, und ehe er noch zur Besinnung kam, hatten sie ihm die Schulter aufgerissen und zerschlitzt. Billie bellte in hohen, schrillen Tönen. Dave und Solleks, denen das Blut aus vielen Wunden floß, kämpften vereint gegen die heillose Bande. Joe biß wie ein Teufel um sich und zermalmte einem Husky das Vorderbein. Pike machte es sich zunutze, sprang auf das verkrüppelte Tier und brach ihm mit einem blitzschnellen Ruck den Hals. Buck erwischte einen seiner Widersacher an der Kehle, und das Blut rann in sein Maul, als sich seine Zähne in die Gurgel gruben. Der fade Geschmack des Blutes stachelte ihn zu noch größerer Wildheit an. Er warf sich auf einen anderen, als er plötzlich Zähne an seinem Hals spürte. Es war Spitz, der ihn verräterisch von der Seite angegriffen hatte. Endlich gelang es Perrault und François, das Lager zu säubern, und sie eilten ihren Schlittenhunden zu Hilfe. Die wilde Woge halbverhungerter Kreaturen wich vor ihnen zurück, und Buck bekam wieder Luft. Aber nur für einen Augenblick. Die zwei Männer mußten zurücklaufen, denn die Huskies warfen sich wieder auf die Verpflegung. Billie sprang, toll in seiner Angst, über die gesamte Meute hinweg und floh, Pike und Dub folgten ihm auf dem Fuß, hinter ihnen die
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