Ruf der Wildnis
Stärkeren. Neugierig beschnüffelte er die Toten. Sie waren so leicht zu töten gewesen, es war schwerer, einen Hund zu töten als sie. Ohne ihre Pfeile und Speere waren sie ihm nicht gewachsen. Er würde nie mehr vor ihnen Angst haben und sich nur mehr vor ihnen hüten, wenn sie Waffen in den Händen trugen.
Die Nacht kam. Der Vollmond stieg am Himmel auf und erhob sich hoch über die Bäume, er übergoß das Land mit Licht und tauchte es in einen geisterhaften Schimmer. Noch immer lag Buck trauernd beim Tümpel. Die Nacht war so still, und doch fühlte er, daß die Wälder um ihn nicht mehr verlassen waren. Aber es war nicht die Gegenwart der Yeehats, die er spürte. Lauschend und witternd stand er auf.
Von weither drang ein schwaches, scharfes Kläffen zu ihm, dem ein Chor gleicher Stimmen antwortete. Sie kamen näher und wurden lauter und lauter. Diese Stimmen gehörten jener anderen Welt an, die so hartnäckig in seiner Vorstellung lebte. Er schritt bis in die Mitte der Lichtung und lauschte. Es war der alte, geheimnisvolle Ruf, er klang verlockender und zwingender als jemals. Noch nie vorher war er so bereit gewesen, ihm zu folgen. John Thornton war tot. Das letzte Band war zerrissen. Die Menschen und ihre Forderungen hielten ihn nicht länger.
Auf seinen Jagdzügen war das Wolfsrudel vom Land der Ströme und Wälder in Bucks Tal herübergewechselt. Vom Mondlicht übergossen stand Buck bewegungslos auf der Lichtung wie eine Statue und erwartete sein Kommen. So still und so groß stand er vor ihnen, daß die Wölfe zuerst scheu vor ihm zurückwichen. Nach einer kleinen Weile sprang ihn der Kühnste an. Wie ein Blitz biß Buck zu und brach ihm das Genick. Der besiegte Wolf wälzte sich im Todeskampf, Buck stand wieder regungslos wie vorher. Drei andere griffen ihn hintereinander an, aber jeder von ihnen mußte sich mit blutender Kehle oder zerfetzter Schulter zurückziehen.
Plötzlich ging das ganze Rudel auf ihn los. Sie fielen blindlings über ihn her. Buck erwartete sie. Ohne seine wunderbare Geschicklichkeit und seine Kraft hätte er diesen Kampf verloren, aber er raste umher, hieb zu und war überall zugleich. Er gab sich keine Blöße, so schnell wirbelte er von einem Angreifer zum anderen. Langsam zog er sich zurück, damit die Wölfe ihn nicht von rückwärts anfallen konnten, vorbei am Tümpel und hinein in das Flußbett, bis er auf eine ziemlich hohe Sandbank stieß. Beim Goldwaschen hatten die Männer dort einen scharfen, rechten Winkel ausgehoben und hier, geschützt von drei Seiten, stellte sich Buck wieder den Wölfen.
Und so gut verstand er es, diesen Platz zu halten, daß sich die Wölfe nach einer halben Stunde entmutigt zurückzogen. Die Zungen hingen ihnen aus den Mäulern, im fahlen Mondlicht blitzten ihre Zähne grausam weiß. Einige legten sich nieder, hoben die Köpfe und hielten die Ohren gespitzt, andere blieben stehen und beobachteten Buck. Der Rest des Rudels ging zum Tümpel und leckte gierig Wasser.
Nur einer der Wölfe kam näher, ein magerer, grauer Geselle. Er winselte freundlich, und Buck erkannte in ihm den wilden Bruder wieder, mit dem er eine Nacht und einen Tag gelaufen war. Er antwortete dem leisen Winseln, und sie rieben die Nasen aneinander.
Nun trat ein anderer, alter, hagerer, narbenbedeckter Wolf vor. Buck zog die Lefzen hoch, als wollte er zu knurren anfangen, aber dann beschnüffelten sie sich. Der alte Wolf ließ sich nieder, richtete die Schnauze gegen den Mond und brach in das lange Wolfsgeheul aus. Die anderen Wölfe folgten seinem Beispiel und heulten mit. Buck horchte auf. Das war der Ruf, das war der geheimnisvolle Ruf! Und er setzte sich nieder zu ihnen und sang mit ihnen. Sie hörten auf zu singen, drängten sich an ihn und beschnupperten ihn. Als die Leitwölfe den Lockruf des Rudels begannen, antworteten die Wölfe im Chor und folgten ihren Führern in die Wälder. Und neben seinem wilden Bruder rannte Buck, und er sang wie er das wilde Lied der Wölfe.
Und damit endet die Geschichte von Buck. Es dauerte nur wenige Jahre, da stellten die Yeehats eine merkwürdige Veränderung im Aussehen der Wölfe fest, manche hatten braune Flecken auf den Köpfen und ein weißes Mal auf der Brust.
Aber noch seltsamer ist die Geschichte von einem Geisterhund, der an der Spitze des Rudels laufen soll. Die Yeehats fürchten sich vor ihm, denn er ist schlauer als sie alle. Er bestiehlt ihre Lager, beraubt ihre Fallen und tötet ihre Hunde.
Doch Schrecklicheres
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