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Ruf mich bei Deinem Namen

Ruf mich bei Deinem Namen

Titel: Ruf mich bei Deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Aciman
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dass ich mir alles
eingebildet habe, denn es kann unmöglich auch für dich wahr sein, und wenn es für dich doch wahr ist, bist du der unbarmherzigste Mensch auf Erden. Und dann der Nachmittag, als er
endlich mein Zimmer betrat, ohne zu klopfen, als hätte ihn mein Flehen hergeholt, und wissen wollte, wieso ich nicht mit den anderen am Strand war, und mir nur eine Antwort einfiel, die ich
dann doch nicht herausbrachte: Um bei dir zu sein. Bei dir, Oliver. Mit oder ohne Badehose. Mach mit mir, was du willst. Frag, ob ich will, und du wirst sehen, welche Antwort du bekommst.
    Und sag mir, dass ich in jener Nacht nicht geträumt habe, als ich auf dem Gang vor meiner Tür ein Geräusch hörte und plötzlich wusste, dass jemand bei mir war, jemand am
Fußende meines Bettes saß und grübelte und immer höher rückte und unversehens nicht neben mir lag, sondern auf mir und ich das so schön fand, dass ich, um nicht zu
verraten, dass ich wach war oder zu riskieren, dass er es sich anders überlegte, tiefen Schlaf vortäuschte und dachte: Das ist kein Traum, es kann, es darf kein Traum sein, denn
während ich die Augen fest zudrückte, war da plötzlich der Gedanke: Das ist wie Heimkehr nach Jahren unter den Trojanern und Lestrygoniern, wie Heimkehr an einen Ort, wo alle sind
wie du selbst, wo alle Bescheid wissen, wo alles zusammenpasst und du plötzlich begreifst, dass du dich siebzehn Jahre mit der falschen Kombination gemüht hast.
    Und da wollte ich dich, ohne auch nur einen Muskel zu rühren, spüren lassen, dass ich bereit war, mich dir hinzugeben, nur warst du plötzlich fort, und obgleich es für einen
Traum zu wirklich schien, hatte ich von diesem Tag an nur den einen Wunsch, dass du mit mir das machen würdest, was du mit mir im Schlaf gemacht hattest.
    Am nächsten Tag spielten wir Doppel, und während wir in einer Pause Mafaldas Limonade tranken, legte er den freien Arm um mich und drückte mir sanft Daumen und
Zeigefinger in die Schulter. Es war eine fast kumpelhafte Berührung, aber mir ging sie durch und durch. Ich entwand mich rasch seinem Griff. Noch eine Sekunde, und ich wäre in mich
zusammengefallen wie eins dieser kleinen Zappelspielzeuge, deren krummbeinige Körper einknicken, sobald man die Hauptfeder berührt. Erschrocken entschuldigte er sich, fragte, ob er etwa
»einen Nerv erwischt« hätte, er habe mir nicht weh tun wollen. Dass er mir womöglich ernstlich wehgetan hatte, muss ihm ebenso peinlich gewesen sein wie die Vorstellung, er
hätte sich vielleicht im Wortsinn an mir »vergriffen«. Ich wollte ihn auf keinen Fall abschrecken, stammelte deshalb etwas wie »Macht fast gar nichts« und hätte
wohl die Sache auf sich beruhen lassen – nur wäre meine schroffe Reaktion für meine Freunde wenig überzeugend gewesen, wenn es tatsächlich nicht weh getan hatte, und
ich tat so, als versuchte ich tapfer, mir den Schmerz zu verbeißen.
    Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass das, worauf ich bei seiner Berührung fast panikartig reagiert hatte, nichts anderes war als das, was noch unschuldige junge Mädchen
aus der Fassung bringt, wenn sie zum ersten Mal die Berührung eines Menschen spüren, den sie begehren: Er bringt bei ihnen Nerven zum Schwingen, von deren Existenz sie nichts ahnten und
die sehr viel verstörendere Lüste wecken als die, mit denen sie bisher allein gelassen wurden.
    Er wunderte sich scheinbar immer noch über meine Reaktion, spielte aber den Glauben an meine schmerzende Schulter ebenso überzeugend wie ich den angeblichen Versuch, ihn meine
Schmerzen nicht merken zu lassen. Damit hatte er mir aus der Bredouille geholfen und tat seinerseits so, als seien ihm gewisse Nuancen in meinem Verhalten nicht aufgefallen. Später sollte ich
erkennen, wie trefflich er sich darauf verstand, widersprüchliche Signale einzuordnen und glaube deshalb bestimmt, dass er damals schon etwas vermutete. »Komm, ich mache es wieder
gut«, sagte er, und massierte weiter. Es war ein Test. »Entspann dich.« »Aber ich bin entspannt.« »Du bist steif wie ein Brett. Fühl mal«, sagte er zu
Marzia, einem Mädchen aus der Gruppe um uns herum. Ich spürte ihre Hände auf meinem Rücken. »Hier.« Er drückte ihre Handfläche fest an. »Merkst du
das? Höchste Zeit, dass er lockerer wird.« »Höchste Zeit, dass du lockerer wirst«, wiederholte sie.
    Weil ich mich nicht darauf verstand, durch die Blume zu sprechen, hielt ich wie gewöhnlich den Mund und kam mir vor wie ein

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