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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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und alles besser wissen und machen, und sie wisse auch, was sie gehört, und könnte manches sagen was Mancher nicht gern hörte. Und wer nur gestern Abend sein Ohr aufgehabt hätte im hintersten Hofe und unterm Gitterfenster gehorcht, was die Gefangenen gesungen. Davon könnte manches Vögelchen Lieder singen, die Manchermann gar hässlich klingen würden!
    »Sie unverschämtes – ich glaube gar, Sie hat getrunken!«
    »Ich getrunken! Habe ich das um den Herrn Geheimrath verdient, als ich gestern Abend gar nicht sah, wie Sie die Treppe herauskamen, die kleine Hintertreppe, und nicht wussten, wo die Thür war? Ich getrunken! Ein Glas Weißbier setzten mir der Herr Wachtmeister von Prinz Louis-Dragonern vor, und das trank ich, der Kinder wegen, denn wir waren außer Athem, weil die Leute so grausam drängten, und so hob der Herr Wachtmeister die Kinder über die Lyceumshecke, und ich quetschte mich durch die Hecke, und da sagte der Wachtmeister, ich sollte erst einen Pomeranzen mit ihm über die Lippen nehmen, weil ich so echauffirt wäre. Das kann der Wirth im blauen Himmel bezeugen; der sagte, wir zerträten ihm seine Hecke und er war betrunken. Aber wo wären wir alle, und die lieben Kinder, die schrien, daß es ein Gotts Erbarmen war; aber der Wachtmeister gab's dem Wirth, daß er mäuschenstill ward. Ich hätt's nicht gerathen, mit dem anzufangen. Er hat die Rheincampagne mitgemacht und trägt noch eine Kugel in der Schulter, Alles für seinen König! sagt er, und wenn Friede bleibt, kriegt er eine Civilanstellung.«
    Es war eine Veränderung in dem Geheimrath vorgegangen. Von Zorn keine Spur mehr in seinem Gesichte, als er aus der emaillirten Dose ein lange Prise Spaniol nahm, und mit dem Battisttuch den Tabak, der sich ausgestreut, von den Kleidungsstücken abklopfte, und »Ja, ja, so geht's in der Welt!« sagte. Man sah, zwischen Beiden hatte ein langer Verkehr eine Verständigung hervorgebracht, die gewissermaßen in hieroglyphischen Ausdrücken sich Luft machte. Und Jeder verstand den Andern. Offenbar war er an etwas erinnert worden, was er nicht liebte, und ebenso offenbar, daß Charlotte auf einen andern Gegenstand übergesprungen war, entweder, um ihm die Verlegenheit abzukürzen, oder weil dieser Gegenstand für sie einen Zweck hatte.
    Und doch schien der Geheimrath nicht recht zu wissen, was er sagen sollte, indem er mit einem Finger um den andern ein Rad schlug. »Ja, sieht Sie, Charlotte,« sagte er, »wer das wüsste, ob Friede bleibt, oder's wieder losgeht. – Und hat Sie auch das bedacht, ein Kavallerist riecht immer nach dem Stall« – wollte er sagen, oder hatte es gesagt –
     
Zweites Kapitel.
     
Die Geheimräthin mit den spitzen Fingern.
    – Als die Seitenthür aufging, und die Geheimräthin Schwägerin hereinrauschte.
    Rauschte, sage ich, denn ihr hellseidenes Kleid, obgleich die Schleppe abgeschnitten, bauschte noch immer in reichen Falten hinter ihr.
    »Ich hoffe doch nicht zu derangiren,« sagte die Dame, als der Geheimrath in einiger Verlegenheit aufsprang, und die Spanioldose auf die Erde fiel. Wenn sich Charlotte in Verlegenheit gefühlt, fand sie Gelegenheit, sie zu verbergen, indem sie die Dose auflangte, und mit dem zusammengefegten Tabak in der Schürze das Zimmer verließ.
    »Wie kann meine theure Frau Schwägerin mich überraschen!« sagte der Ueberraschte.
    »Die Ueberraschung ist nicht ganz meine Schuld, denn der Herr Schwager hörten in dem konfidentiellen Gespräch, was ich zu meinem Bedauern stören musste, nicht mein Klopfen. Da musste ich endlich, ohne auf die Invitation zu warten, eintreten, denn ich liebe nicht das Lauschen.«
    Er drückte in verbindlicher Weise ihre Finger an die Lippen und führte sie auf das Canap
é.
    Ob die Finger besonders spitz waren, kann ich für jetzt nicht sagen, denn sie waren in Tricothandschuhen versteckt, und während die eine Hand an den Lippen des Geheimraths ruhte, umfasste die andere den Fächer, um das Spiel zu beginnen, was bei einer Konversation auf dem Canapé nothwendig ist.
    Aber das ganze Gesicht war, was man spitz nennt. Vielleicht hätte man auch die kleine Gestalt der Dame so nennen mögen, indeß war ein Etwas darin, entweder nenne ich es Anmuth oder Elasticität, was diesen Eindruck verwischte, Alabasterarbeit hätte ein Dichter oder Künstler gesagt, der erst der Hauch des Gedankens oder Gefühls Farbe und Bewegung giebt. Weder jung noch alt, weder schön, noch eigentlich hübsch, konnten doch ihre dunkeln kleinen

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