Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Soll schon nächste Woche antreten! Hab ich nicht ein unverschämtes Glück?“
„Du - du gehst von hier weg?“ flüsterte ich.
„Na klar! Hattest du etwa gedacht, ich bleibe den Rest meines Lebens in Tjeldsund? Und dann so eine Stellung, Mädchen! Und in der Firma!“
Axel redete lebhaft und begeistert von Maschinen und moderner Bürotechnik, von Gehältern und Aufstiegsmöglichkeiten, und ein Zimmer hatte er sogar auch schon. Das hatte Langeböe ihm auch besorgt.
Ich hatte einen Kloß im Hals, und der wurde von Minute zu Minute dicker.
Und ich war nur von einem einzigen Wunsch beseelt: daß die Firma Langeböe & Co. morgen gründlich bankrott machen möge!
Als ich abends im Bett lag und versuchte, meine Gedanken ein wenig zu ordnen, da sah die Sache für mich etwa folgendermaßen aus: Natürlich mußte Axel eine so glänzende Stellung annehmen. Das ist klar. Aber wenn er jetzt so gut verdient, dann könnte er sich ebensogut verloben! Warum hat er nicht mit einer einzigen Silbe erwähnt, daß... hier kam ein quälender Gedankenstrich, ich mußte ein paarmal schlucken, und dann fuhr ich fort, ich hatte nämlich einen rettenden Strohhalm entdeckt, an den ich mich klammern konnte: Ein moderner junger Mann verlobt sich nicht, bevor er nicht weiß, daß er auch heiraten kann. Und Axel muß doch erstmals etwas Geld verdienen. Einen Haushalt zu gründen, kostet viel Geld. Hat er erst mal einige Tausend auf die hohe Kante gelegt, dann wird er schon ankommen - dann kann es sein, daß - ja, dann schreibt er an mich und bittet mich um - und sagt, daß...
Ich malte mir bis in alle Einzelheiten aus, was er sagen und worum er bitten würde, und diese Einzelheiten waren so schön und so beruhigend, daß ich darüber einschlummerte.
Dann kam der letzte Abend vor Axels Abreise. Wir saßen auf unserer Bank, Axel küßte mich und sagte flüsternd zu mir, Oslo sei schließlich nicht so weit weg, und zu Weihnachten komme er bestimmt nach Hause. Und natürlich wolle er an mich schreiben. „Aber fleißig bin ich nicht im Briefeschreiben, Beate, darauf mußt du gefaßt sein...“ Und ich antwortete, ich sei auf alles gefaßt, wenn er nur ab und zu ein Lebenszeichen von sich geben würde. Und er werde mich nie vergessen, und wir hätten doch eine riesig nette Zeit zusammen verlebt.
Die Sonne ging unter, und es wurde dunkel. Axel flüsterte mir köstliche kleine Worte ins Ohr und küßte mich wieder. Und ich kletterte zum letzten Male auf den Rücksitz des Motorrades und ließ mich nach Hause fahren.
Am nächsten Tage war er dann weg. Das Dasein war leer geworden.
Morgens und mittags fing ich immer den Briefträger ab, und als der heißersehnte Brief endlich kam, schloß ich mich in unser „Töchterzimmer“ ein und las, daß Axel es in der neuen Stellung gut habe, aber man müsse doch in der ersten Zeit sehr viel lernen, und abends fühle er sich in der fremden Stadt recht einsam. „Wenn du hier wärest, Beate, dann könnten wir abends aus der Stadt hinaustöffen, und du könntest hinter mir sitzen, mit den Händen auf meinen Schultern und singen ,Wir beide zwei beim Lampenschimmer.’" Ich mußte lachen. Es war eine uralte Operettenmelodie, die sich aus irgendeinem Grund in meinem Hirn festgesetzt und die ich immer gesummt hatte, wenn ich guter Stimmung war.
Am selben Abend noch schrieb ich einen sechs Seiten langen Brief an Axel. Ich fing an, Osloer Zeitungen zu kaufen, um zu erfahren, was in Axels unmittelbarer Nähe vor sich ging.
Dann dauerte es lange, bis ich wieder etwas hörte. Endlich, endlich kam eine Ansichtskarte mit einem Monument darauf. „Liebe Beate, vielen Dank für Deinen Brief. Mir geht’s gut. War gestern im Schwimmbad am Fjord und sprang vom obersten Brett herunter, was mir enormen Beifall eintrug. Hab viel zu tun, daher nur dieser kleine Gruß, damit Du siehst, daß ich Dich nicht vergesse. Gruß Axel.“
An diesem Abend sagte ich mir hundertmal, daß Axel kein fleißiger Briefschreiber sei, und daß Mannsbilder furchtbar schwerfällig seien, wenn sie große Gefühle ausdrücken möchten.
Dann schlief ich ein, die Wange gegen das Monument auf der Karte gedrückt, und am nächsten Morgen hatte das Kopfkissen blaue Flecke von Axels Kugelschreiber.
„Du, Muttchen“, sagte ich. „Ja, mein Herz?“
„Guck mal!“ Ich reichte ihr meine Osloer Zeitung.
„Zuverlässiges, gebildetes junges Mädchen gesucht als Hauswirtschaftsleiterin in frauenlosem Haushalt. Einfamilienhaus. Muß kinderlieb sein.
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