Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Zwillinge sprühten von unterdrücktem Schalk.
„In verschiedenen Jahren?“ sagte ich ungläubig. Entweder flunkerte das kleine Ding oder...
„Dann seid ihr in der Neujahrsnacht geboren!“ sagte ich. „Die eine kurz vor zwölf und die andere kurz nach zwölf. Denn Zwillinge seid ihr!“
Die Zwillinge guckten mich beifällig an.
„Du kannst aber gut raten! Das hat bis jetzt noch keiner so fix rausgekriegt.“
„Das hab ich nicht geraten“, sagte ich. „Es war die einzig mögliche Erklärung. Ich sage es übrigens gleich jetzt: Ich werde euch niemals unterscheiden lernen!“
„Das macht nichts, das kann nämlich kein Mensch. Du schläfst heute nacht in unserem Zimmer. Komm mit rauf, wir zeigen dir’s!“
„Senta!“ sagte Tante Julie. „Niemand hat dir erlaubt, zu Fräulein Hettring ,Du’ zu sagen.“
„Das war ich gar nicht“, ließ sich der zweite Zwilling vernehmen. „Das war Sonja!“
„Aber ich erlaube es euch beiden“, sagte ich. „Es ist viel netter, wenn ihr ,Du’ zu mir sagt. Ich heiße Beate. Und ich möchte gern sehen, wo ich heute nacht schlafen soll.“
Die Zwillinge zogen mit mir in den oberen Stock hinauf und führten mich in ein helles, geräumiges Kinderzimmer. An der einen Wand war ein Feldbett aufgestellt mit blendend weißem Bettzeug.
„Da sollst du heute nacht schlafen! Dürfen wir dir auspacken helfen?“
„Nein, halt. Ich brauche vorläufig nichts weiter als Nachtzeug und Toilettensachen. Morgen ziehe ich ja wieder um. Wo kann ich meinen Bademantel hinhängen? Sonn. Sen.“, ich unterbrach mich selbst und lachte. „Ich glaube, ich werfe euch zusammen und nenne euch Sen ja, bis ich den Unterschied zwischen euch heraushabe.“
„Den kriegst du nie heraus! Papa irrt sich sogar manchmal. Nur Bernt, der ist ganz sicher.“
„Und in der Schule?“
„Da muß Senta eine blaue Schleife umbinden und ich eine rote.“ Ich schaute die, die eben gesprochen hatte, genau an. Das also war Sonja. Ich musterte sie von oben bis unten in der Hoffnung, einen kleinen Leberfleck oder eine Narbe zu finden. Nein, nicht das geringste. Dann prüfte ich Senta. Ebenso aussichtslos.
Ich seufzte. „Ich hoffe, ihr betragt euch wenigstens musterhaft, sonst kann es passieren, daß die eine zwei Gardinenpredigten bekommt und die andere gar keine!“
Die Zwillinge wollten sich ausschütten vor Lachen.
„Ach was, das wäre gar nicht mal so schlimm. Einmal, als wir klein waren, da kriegte Sonja zweimal Haue, und ich gar kein Mal! Aber es war auch das erste und letztemal, daß Papa uns gehauen hat.
- Bist du furchtbar streng, Beate?“
„Ach nein, das glaube ich nicht. Ja, ich kann mächtig wütend werden, es ist besser, ihr wißt das gleich von vornherein. Meine Geschwister haben es hin und wieder zu fühlen bekommen, das muß ich gestehen!“
„Stimmt es, daß du sieben Geschwister hast?“
„Aber gewiß stimmt das.“ Beide Mädchen plumpsten auf den Bettrand hinunter.
„Erzähl doch mal ein bißchen davon. Wie alt sind sie? Sind es Jungen oder Mädchen? Sind Zwillinge dabei? Wie heißen sie?“ „Wißt ihr was, Kinder - später erzähle ich euch alles mögliche, aber jetzt haben wir keine Zeit. Würdet ihr mir mal zeigen, wo das Badezimmer ist? Und dann müssen wir hinuntergehen. Bedenkt, ich muß so schnell wie möglich in den Haushalt eingeweiht werden.“ „Du, Beate, Tante Julie hat gesagt, wir müßten dir gehorchen und Respekt vor dir haben. Ist das wahr? Müssen wir das?“
Ich blickte in die beiden offenen, hellen Gesichter. Und ich hatte die beiden Mädels schon in mein Herz geschlossen.
„Gehorchen - ja, das stimmt. Das müßt ihr schon versuchen. Mit dem Respekt ist es nicht so gefährlich. Ich möchte lieber, daß wir so richtig gute Freunde würden!“
Da hing mir plötzlich an jedem Arm ein Zwilling. „Das ist ganz groß, Beate! Aber, du, das sind wir doch schon? Ich meine, gute Freunde. Nicht wahr?“
Ich schaute die Mädels wieder an.
Ich dachte an den abgehetzten Doktor, die bejammernswerte, schwarzgekleidete Tante Julie, an den schweigsamen und ernsthaften Bernt.
Hier waren zwei quirlend lebendige, frische, natürliche Menschenkinder. Zwei fröhliche und schelmische Mädchen, zwei himmlisch normale Kinder. Wie meine eigenen Geschwister.
Ich preßte den Arm der Mädels kurz an mich.
„Natürlich sind wir gute Freunde, das ist doch klar. So, nun müssen wir aber rasch hinunter!“
Die Probleme melden sich
Am nächsten Morgen war ich zeitig auf
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