Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
erbeuteten Filmpackung in einem Baum verschwand.
„Ich saß hier und wollte einen neuen Film einlegen, ich hatte ihn auf den Stuhl gelegt, und dann plötzlich kam das Biest!“
„War es ein neuer Film oder ein belichteter?“
„Zum Glück der neue! Wäre es der Film mit den Bildern von Manyara, hätte ich geweint! So ein Ungeheuer, so ein Dieb!“ Die Dame mußte plötzlich lachen, denn da sahen wir den Sünder. Er saß seelenruhig auf einem Ast und schmiß gerade den Filmkarton runter. Nun fing er an, das Stanniolpapier abzureißen. Was hatte der kleine Strolch doch für flinke Finger! Er hielt das Filmende fest, schmiß die Spule runter, und so rollte sich der Film ab und wurde immer länger, zum Erstaunen des Affen. Er saß da mit dem Ende des Films in der Hand und guckte fragend dem langen Zelluloidstreifen nach.
„Gott sei Dank, daß ich noch einen Film habe“, tröstete sich die Bestohlene. „Sagen wir bloß den anderen, daß sie scharf aufpassen müssen!“
Das taten sie auch, nachdem sie alle - buchstäblich alle - ihren Morgen Tee ohne Zucker trinken mußten!
Ich hatte meine Daumen nicht umsonst gedrückt.
Als es hell wurde, erlebten wir es: Da zeichnete sich der weiße Kegel des Kilimandscharo klar und strahlend gegen den blauen Himmel.
Wir standen alle da mit Ferngläsern und Kameras. Das war wirklich einer der Höhepunkte der Reise.
Neben mir seufzte Herr Braun. Jetzt tat er mir wirklich leid. Ich war oft böse auf ihn gewesen, aber an diesem wunderbaren Morgen war ich milde und versöhnlich gestimmt und wollte eigentlich zu allen Menschen lieb sein.
Hier stand ich mit Rolfs vollautomatischer, „idiotensicherer“ Kamera, und neben mir, wie gesagt, der unglückliche Herr Braun.
„Sie haben doch auch eine Superachtkamera, Herr Braun?“ sagte ich. „Wissen Sie, dann drehe ich einen extra Meter Kilimandscharo, und den schicke ich dann Ihnen!“
Er war so überglücklich und so dankbar, daß mein Herz windelweich wurde, und ich versprach ihm auch einen Meter Baumlöwen und ein Stück Ngorongoro!
Dann war er ein neuer Mensch, er war liebenswürdig und direkt gesprächig. Komischer Kauz. Bisher hatte ich mich redlich abgemüht, hatte ihm alle Fragen beantwortet, hatte ihm jede Seltenheit gezeigt, ihm mit einer Kopfschmerztablette aus unserer Reiseapotheke geholfen - , das alles hatte ihm gar keinen Eindruck gemacht. Aber ein paar Meter Film brachten ihn wirklich zum Strahlen!
An diesem Vormittag wehten frischgewaschene Blusen und Hemden vor jedem Zelt. Wir würden bis morgen bleiben, also hieß es waschen, waschen, waschen!
Nach dem Lunch ging es dann raus ins Gelände. Von dieser Fahrt versprach ich mir viel. In Amboseli sollte man ja die Möglichkeit haben, Giraffengazellen zu sehen. Heiko hatte mir davon erzählt. Er hatte sie im Frankfurter Zoo gesehen, er hatte mir auch Bilder gezeigt. Ich brannte darauf, diese wunderschönen Tiere zu sehen!
Vorerst trafen wir nun unsere altbekannten Löwen in großen Mengen, dann Zebras, Gnus und Antilopen. Und dann zu meiner großen Freude eine Nashornkuh mit Kind! Dank meinem allwissenden Mann konnte ich meiner Gruppe - heut war ich im Wagen I, mein lieber Wagen II hatte keinen Reiseleiter - erzählen, daß die Nashornmütter immer ihre Kinder vorgehen lassen, während bei anderen Tierarten die Mutter an der Spitze wandert, und die Kleinen trotten hinterher.
Dann entdeckte ich Webervogelnester, die eng aneinandergebaut waren und richtige große „Mietskasernen“ oder „Reihenhäuser“ bildeten. In Seronera bauten die Webervögel nur Einfamilienhäuser, hier waren sie mehr rationell und modern.
Immer hielt ich Ausschau. Ich hatte Francis gebeten, unbedingt zu halten, wenn er Giraffengazellen entdecken sollte - und dann, kurz bevor wir umdrehen mußten, als ich die Hoffnung beinahe aufgegeben hatte, da geschah es: Francis hielt, die beiden anderen Wagen auch - und da, ein paar Hundert Meter entfernt, galoppierten fünf herrliche, anmutige Giraffengazellen, diese bezaubernden, schlanken Tiere mit den langen Hälsen, den großen Ohren und den dunklen Augen. Da blieb ein Tier stehen, richtete die Ohren in „Lauscherstellung“ gegen uns. Ich machte schnell ein Zeichen zu Herrn Braun in Wagen II, er nickte und verstand, und ich filmte Meter um Meter. Das Ganze dauerte vielleicht zwei Minuten, dann galoppierten sie davon. Aber wie schön war es gewesen! Und wie glücklich war ich, daß ich sie zu sehen bekommen hatte!
Als wir abends im Eßzelt
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