Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
Nachbarn.
„Was!“ rief Hartmut, als ich ihn über die augenblickliche Lage informiert hatte. „Das bedeutet, daß wir einen ganzen Tag für uns haben?“
Ich bestätigte es.
Und was für ein Tag! Eine glückliche Fortsetzung von unseren unvergeßlichen zwei Tagen im Wochenendhaus bei Älgärd - ein Tag, wo wir sprechen, fragen und erzählen konnten, all das, was man soviel besser mündlich als schriftlich besprechen kann.
Er war gestern abend spät angekommen, zusammen mit der Mutter, und heute früh hatte er kurz und klar gesagt, er führe jetzt zu seiner Braut.
„Muttchen läßt dich unbekannterweise herzlich grüßen“, sagte Hartmut. „Sie freut sich darauf, dich kennenzulernen. Und übrigens ist sie dabei, ihre Zukunftspläne etwas umzukrempeln, da ihr Sohn ihr nun den Streich spielt, heiraten zu wollen!“
„Aber doch nicht jetzt!“ meinte ich. „Du mußt doch zuerst deine Ausbildung fertig machen, und das Geschäft übernehmen und dich etwas einarbeiten.“
„Klar muß ich das. Aber nächstes Jahr, Spatz! Dann heiraten wir doch! Und fahren auf Hochzeitsreise nach Südfrankreich!“
„Warum ausgerechnet nach Südfrankreich?“
„Oh, das habe ich mir immer gewünscht. Ich habe so vielen Menschen das Loiretal und Lourdes und das Toulouse-Lautrec-
Museum und den französischen Wein empfohlen - ja, in meiner Reisebürozeit - und so viele Karten verkauft und Hotelzimmer bestellt, jetzt möchte ich endlich mal selbst dorthin!“
„Gut, also fahren wir nach Südfrankreich! Hast du übrigens auch Karten nach Prag verkauft?“
„Nach Prag? Die Goldene Stadt? Na klar, das habe ich. Warum fragst du?“
„Weil Prag mein Traum ist. Ach, ich sprach doch mit Bernts Schwester Senta darüber, ich glaube, ich sagte, daß ich nur mit einem Menschen, der mir sehr lieb wäre, dorthinfahren könnte - ich habe so viel über diese Stadt gelesen, ich habe mich einfach in sie verliebt, so sehr, daß ich nicht mit einer mir gleichgültigen Reisegruppe hinfahren könnte - damals sagte ich: ,Mit einem Menschen, mit dem ich mich gut verstünde’ - jetzt sage ich, mit dir! Nur mit dir möchte ich das erleben!“
„Sollst du auch, Spatz! Das Leben ist lang, früher oder später werden wir dorthinfahren! Aber konzentrieren wir uns vorerst auf das Nächstliegende: Ausbildung, Geschäft, Wohnung, Heirat, Südfrankreich - das ist doch ein ausgiebiges Programm vorläufig?“ „Unbedingt!“ Worauf wir uns auf das absolut Nächstliegende konzentrierten!
Am Heiligen Abend mußte Hartmut bei seiner Mutter sein und ich bei meinen Eltern. Aber am ersten Feiertag würden wir uns ganz bestimmt treffen, und weiter jeden Tag, so lange, bis er wieder zurück nach Köln mußte, kurz nach Neujahr.
Ich half Mutti, die Zimmer so weihnachtlich wie möglich zu machen, mit Kerzen und Tannenzweigen. Es war so schön friedlich. Ich war doch froh, daß ich zu Weihnachten nach Hause gefahren war.
Und in mir loderte die Glücksflamme, das Glück, das nur Hartmut und mir gehörte - und ich wußte, daß er auch den ganzen Tag an mich dachte, so wie ich an ihn.
Es war nur ein ganz winziger, ein ganz mikroskopischer Wermutstropfen in meinem Glücksbecher. Als wir gestern von Prag und von Südfrankreich sprachen - wie wäre es schön gewesen, wenn Hartmut gesagt hätte: „Möchtest du lieber nach Prag, Schatz, dann selbstverständlich, dann warten wir noch etwas mit Frankreich!“
Ach, Quatsch! Er hatte ja gesagt, daß wir natürlich, selbstverständlich hinfahren sollten, irgendwann. Nur wollte er zuerst zu seinen Loireschlössern und Lourdes und zum Toulouse-
Lautrec-Museum.
War das eine kleine Warnung für mich - sollte ich mich darauf gefaßt machen, daß er immer zuerst seine eigenen Wünsche erfüllen würde und dann meine?
Unsinn, Allegra, sagte ich mir selbst. Mach doch keinen Elefanten aus einer Mücke!
Ich schüttelte den dummen Gedanken weg, schüttelte die mikroskopische Wermutmenge aus meinem Glücksbecher aus.
Als wir nachmittags am Kaffeetisch saßen, klingelte es an der Tür. Ich sprang hoch. Könnte es sein.
Es war! Es war Hartmut! Eine ganz schnelle Umarmung, einen Kuß - und ein kleines Päckchen wurde mir in die Hand gesteckt.
„Aber Hartmut, Lieber, ich habe doch schon gestern ein Päckchen von dir gekriegt.“
„Dies ist ein Extrageschenk. Weil du es bist! Ich muß los, Spatz, Opa sitzt schon mit der Streichholzschachtel in der Hand und wartet auf mich, damit wir die Baumkerzen anzünden können! Bis
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