Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
ich.
Mein Herzklopfen war nicht mehr zu spüren. Ich war wieder ruhig. Ruhig und unsagbar glücklich. Die ganze Unsicherheit von den letzten Monaten war weg. Was mich jetzt erfüllte war eine große, schöne, feste Sicherheit. Es war so richtig, daß ich hier mit
Hartmut saß. So richtig, daß ich mit ihm allein zwei Tage verbringen würde.
Verbringen, ja - aber wie und wo?
Ach, das war ja ganz egal. Alles was er vorschlagen würde, sollte mir recht sein.
Auch das, was kam.
„Allegra“, sagte er mit einem kleinen verschmitzten Lächeln. „Jetzt muß ich dir etwas erzählen - ach wo, nein, das hat Zeit. Zuerst mußt du übersetzen. Komm mit!“
Wir verließen das Restaurant und gingen in die große Hotelhalle.
„Frag mal, bitte, ob ein Brief für mich abgegeben wurde“, bat Hartmut. Ja, da war ein Brief. Ohne Marke, persönlich abgegeben.
„Das klappt ja wie am Schnürchen!“ sagte Hartmut zufrieden. Aus dem Brief holte er einen Schlüssel und einen Papierbogen, auf dem etwas gezeichnet war.
„Und wenn du dann den Portier fragen würdest, wo man ein Auto mieten kann. Also keine Taxe, das Fahren besorge ich schon selbst.“
Ja, der Portier wußte Bescheid. Eine halbe Stunde später saßen wir in einem gepflegten, anständigen Opel, und Hartmut fuhr aus der Stadt raus.
„Hilf mir auf die Schilder aufzupassen“, bat er. „Wir müssen früher oder später, am liebsten früher, ein Schild mit einem Pfeil Richtung Algard finden.“
„Wie war das?“
„A wie Allegra - L wie Liebe - G wie Glinde - noch einmal Allegra - Reisebüro - Dummkopf.“
„Ach so. Sag mal, haben die A zufällig einen kleinen Ring als Tüpfelchen?“
„Ja, das haben sie wohl.“
„Dann wird es Olgord ausgesprochen.“
„Verrückte Sprache“, murmelte Hartmut. „Aber mein Glück, daß du sie kennst.“
Bald hatten wir die Stadt hinter uns. Jetzt fuhren wir durch eine merkwürdige eintönige Landschaft. Flach, flach, überall. Kleine Bauernhöfe, Äcker, Wiesen - kaum ein Baum, keine Andeutung von Bergen. Aber weite Strecken mit abgeblühtem Heidekraut.
„Und dies soll Norwegen sein“, sagte ich.
„Ja, es ist wohl die einzige große berglose Landschaft von Norwegen. Die Winterstürme sind hier nicht von Pappe, um so mehr, weil vor dieser Küste keine schirmenden Inseln liegen.“
„Wie du Bescheid weißt. Warst du schon mal hier?“
„Nein, aber ein Norweger hat es mir beschrieben. Ja, das wollte ich dir also erzählen. Kurz bevor ich mein Reisebüro verließ, kam ein junges norwegisches Ehepaar ganz unglücklich und fragte, ob ich ihnen ein Hotelzimmer verschaffen könne. Sie wollten eigentlich campen, aber ihr Zelt, das oben auf dem Autodach verstaut gewesen war, war ihnen geklaut worden. Und die Ärmsten waren ausgerechnet auf Hochzeitsreise! Dann war kein Hotelzimmer zu haben, nur in dem allerfeinsten Hotel, und das konnten sie sich nicht leisten. Na, sie taten mir eben leid. Dann habe ich ihnen für zwei Nächte meine Bude überlassen und schlief selbst im Schlafsack im Büro. Sie waren dann so unbeschreiblich dankbar und baten mich dringend, wenn ich mal nach Stavanger käme, müßte ich mich unbedingt melden, sie wollten sich so gern revanchieren, und sie hätten ein Wochenendhaus, das sie mir jederzeit mit tausend Freuden zur Verfügung stellen wollten.“
„Und das Wochenendhaus liegt vielleicht in Älgärd?“ fragte ich. „Deine Kombinationsfähigkeit ist einmalig!“ lachte Hartmut. „Ja, in der Nähe von Älgärd. Also, als diese Reise bestimmt wurde, rief ich Herrn Sande - ja, so heißt das Ehepaar - an, und fragte ob. Und er war ganz begeistert, weil ich ihm die Gelegenheit gab, sich zu revanchieren. Heute bekam ich also den Schlüssel, wie du weißt, und einen kleinen selbstgebastelten Dorfplan, wir werden schon das Häuschen finden.“
Ich antwortete nicht. Ich war so unerfahren, hatte ja nichts erlebt, ich wußte nicht, was ich bei dem Gedanken empfand, zwei Tage und eine Nacht ganz allein mit Hartmut in einem kleinen Wochenendhäuschen zu verbringen.
Vielleicht las Hartmut meine Gedanken, denn er sagte mit einem kleinen Lächeln: „Wir schauen uns eben das Ding an, Allegra. Wenn du lieber zurück in die Stadt möchtest und im Hotel übernachten, bin ich keine Spur beleidigt. Du sollst mir nur versprechen, ganz ehrlich zu sein und mir sagen, was du möchtest!“
„Das verspreche ich!“
Aber in dem Augenblick wußte ich schon, wie es weitergehen würde, was wir zusammen erleben
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