Sämtliche Dramen
habt; Augen mit blauen Rändern, die Ihr nicht habt; ein gleichgültiger Sinn, den Ihr nicht habt; ein verwilderter Bart, den Ihr nicht habt; – doch den erlasse ich Euch, denn, aufrichtig, was Ihr an Bart besitzet, ist eines jüngern Bruders Einkommen. – Dann sollten Eure Kniegürtel lose hängen, Eure Mütze nicht gebunden sein, Eure Ärmel aufgeknöpft, Eure Schuhe nicht zugeschnürt, und alles und jedes an Euch müßte eine nachlässige Trostlosigkeit verraten. Aber solch ein Mensch seid Ihr nicht. Ihr seid vielmehr geschniegelt in Eurem Anzuge, mehr wie einer, der in sich selbst verliebt als sonst jemands Liebhaber ist.
Orlando
. Schöner Junge, ich wollte, ich könnte dich glauben machen, daß ich liebe.
Rosalinde
. Mich das glauben machen? Ihr könntet es ebenso gut Eure Liebste glauben machen, was sie zu tun williger ist, dafür steh’ ich Euch, als zu gestehn, daß sie es tut: das ist einer von den Punkten, worin die Weiber immer ihr Gewissen Lügen strafen. Aber in ganzem Ernst, seid Ihr es, der die Verse an die Bäume hängt, in denen Rosalinde so bewundert wird?
Orlando
. Ich schwöre dir, junger Mensch, bei Rosalindens weißer Hand: ich bin es, ich bin der Unglückliche.
Rosalinde
. Aber seid Ihr so verliebt, als Eure Reime bezeugen?
Orlando
. Weder Gereimtes noch Ungereimtes kann ausdrücken, wie sehr.
Rosalinde
. Liebe ist eine bloße Tollheit, und ich sage Euch, verdient ebenso gut eine dunkle Zelle und Peitsche als andre Tolle; und die Ursache, warum sie nicht so gezüchtigt und geheilt wird, ist, weil sich diese Mondsucht so gemein gemacht hat, daß die Zuchtmeister selbst verliebt sind. Doch kann ich sie mit gutem Rat heilen.
Orlando
. Habt Ihr irgend wen so geheilt?
Rosalinde
. Ja, einen, und zwar auf folgende Weise. Er mußte sich einbilden, daß ich seine Liebste, seine Gebieterin wäre, und alle Tage hielt ich ihn an, um mich zu werben. Ich, der ich nur ein launenhafter Junge bin, grämte mich dann, war weibisch, veränderlich, wußte nicht, was ich wollte, stolz, phantastisch, grillenhaft, läppisch, unbeständig, bald in Tränen, bald voll Lächeln, von jeder Leidenschaft etwas, und von keiner etwas Rechtes, wie Kinder und Weiber meistenteils in diese Farben schlagen. Bald mochte ich ihn leiden, bald konnte ich ihn nicht ausstehn, dann machte ich mir mit ihm zu schaffen, dann sagte ich mich von ihm los; jetzt weinte ich um ihn, jetzt spie ich vor ihm aus: so daß ich meinen Bewerber aus einem tollen Anfall von Liebe in einen leibhaften Anfall von Tollheit versetzte, welche darin bestand, das Getümmel der Welt zu verschwören und in einem mönchischen Winkel zu leben. Und so heilte ich ihn, und auf diese Art nehme ich es über mich, Euer Herz so rein zu waschen, wie ein gesundes Schafherz, daß nicht ein Fleckchen Liebe mehr daran sein soll.
Orlando
. Ihr würdet mich nicht heilen, junger Mensch.
Rosalinde
. Ich würde Euch heilen, wolltet Ihr mich nur Rosalinde nennen, und alle Tage in meine Hütte kommen und um mich werben.
Orlando
. Nun, bei meiner Treue im Lieben, ich will es: sagt mir, wo sie ist.
Rosalinde
. Geht mit mir, so will ich sie Euch zeigen, und unterwegs sollt Ihr mir sagen, wo Ihr hier im Walde wohnt. Wollt Ihr kommen?
Orlando
. Von ganzem Herzen, guter Junge.
Rosalinde
. Nein, Ihr müßt mich Rosalinde nennen. – Komm, Schwester, laß uns gehn!
Alle ab.
¶
Dritte Szene
Der Wald.
Probstein und Käthchen kommen.
Jaques in der Ferne, belauscht sie.
Probstein
. Komm hurtig, gutes Käthchen; ich will deine Ziegen zusammenholen, Käthchen. Und sag, Käthchen: bin ich der Mann noch, der dir ansteht? Bist du mit meinen schlichten Zügen zufrieden?
Käthchen
. Eure Züge? Gott behüte! Was sind das für Streiche?
Probstein
. Ich bin hier bei Käthen und ihren Ziegen, wie der Dichter, der die ärgsten Bocksprünge machte, der ehrliche Ovid, unter den Geten.
Jaques
. O schlecht logierte Gelehrsamkeit! schlechter als Jupiter unter einem Strohdach!
Probstein
. Wenn eines Menschen Verse nicht verstanden werden und eines Menschen Witz von dem geschickten Kinde Verstand nicht unterstützt wird, das schlägt einen Menschen härter nieder als eine große Rechnung in einem kleinen Zimmer. – Wahrhaftig, ich wollte, die Götter hätten dich poetisch gemacht.
Käthchen
. Ich weiß nicht, was poetisch ist. Ist es ehrlich in Worten und Werken? Besteht es mit der Wahrheit?
Probstein
. Nein, wahrhaftig nicht: denn die wahrste Poesie erdichtet am meisten, und
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