Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
in demjenigen Teile der Philosophie, der bloß transzendentaler Idealismus ist, nur ein Nachbeter von Fichte geblieben und bleiben mußte, daß er aber in der Philosophie der Natur, wo er unter Blumen und Sternen zu wirtschaften hatte, gar gewaltig blühen und strahlen mußte. Diese Richtung ist daher nicht bloß von ihm, sondern auch von den gleichgestimmten Freunden vorzugsweise verfolgt worden, und der Ungestüm, der dabei zum Vorschein kam, war gleichsam nur eine dichterlingsche Reaktion gegen die frühere abstrakte Geistesphilosophie. Wie freigelassene Schulknaben, die den ganzen Tag in engen Sälen unter der Last der Vokabeln und Chiffern geseufzt, so stürmten die Schüler des Herrn Schelling hinaus in die Natur, in das duftende, sonnige Reale, und jauchzten und schlugen Purzelbäume und machten einen großen Spektakel.
    Der Ausdruck »die Schüler des Herrn Schelling« darf hier ebenfalls nicht in seinem gewöhnlichen Sinne genommen werden. Herr Schelling selber sagt, nur in der Art der alten Dichter habe er eine Schule bilden wollen, eine Dichterschule, wo keiner an eine bestimmte Doktrin und durch eine bestimmte Disziplin gebunden ist, sondern wo jeder dem Geiste gehorcht und jeder ihn in seiner Weise offenbart. Er hätte auch sagen können, er stifte eine Prophetenschule, wo die Begeisterten zu prophezeien anfangen, nach Lust und Laune und in beliebiger Sprechart. Dies taten auch wirklich die Jünger, die des Meisters Geist angeregt, die beschränktesten Köpfe fingen an zu prophezeien, jeder in einer andern Zunge, und es entstand ein großes Pfingstfest in der Philosophie.
    Wie das Bedeutendste und Herrlichste zu lauter Mummenschanz und Narretei verwendet werden kann, wie eine Rotte von feigen Schälken und melancholischen Hanswürsten imstande ist, eine große Idee zu kompromittieren, das sehen wir hier bei Gelegenheit der Naturphilosophie. Aber das Ridikül, das ihr die Prophetenschule oder die Dichterschule des Herrn Schelling bereitet, kommt wahrlich nicht auf ihre eigne Rechnung. Denn die Idee der Naturphilosophie ist ja im Grunde nichts anders als die Idee des Spinoza, der Pantheismus.
    Die Lehre des Spinoza und die Naturphilosophie, wie sie Schelling in seiner besseren Periode aufstellte, sind wesentlich eins und dasselbe. Die Deutschen, nachdem sie den Lockeschen Materialismus verschmäht und den Leibnizschen Idealismus bis auf die Spitze getrieben und diesen ebenfalls unfruchtbar erfunden, gelangten endlich zu dem dritten Sohne des Descartes, zu Spinoza. Die Philosophie hat wieder einen großen Kreislauf vollendet, und man kann sagen, es sei derselbe, den sie schon vor zweitausend Jahren in Griechenland durchlaufen. Aber bei näherer Vergleichung dieser beiden Kreisläufe zeigt sich eine wesentliche Verschiedenheit. Die Griechen hatten ebenso kühne Skeptiker wie wir, die Eleaten haben die Realität der Außenwelt ebenso bestimmt geleugnet wie unsere neueren Transzendentalidealisten. Plato hat ebensogut wie Herr Schelling in der Erscheinungswelt die Geisteswelt wiedergefunden. Aber wir haben etwas voraus vor den Griechen sowie auch vor den cartesianischen Schulen, wir haben etwas vor ihnen voraus, nämlich:
    Wir begannen unseren philosophischen Kreislauf mit einer Prüfung der menschlichen Erkenntnisquellen, mit der Kritik der reinen Vernunft unseres Immanuel Kant.
    Bei Erwähnung Kants kann ich obigen Betrachtungen hinzufügen, daß der Beweis für das Dasein Gottes, den derselbe noch bestehen lassen, nämlich der sogenannte moralische Beweis, von Herrn Schelling mit großem Eklat umgestoßen worden. Ich habe aber oben schon bemerkt, daß dieser Beweis nicht von sonderlicher Stärke war und daß Kant ihn vielleicht nur aus Gutmütigkeit bestehen lassen. Der Gott des Herrn Schelling ist das Gottweltall des Spinoza. Wenigstens war er es im Jahr 1801, im zweiten Bande der »Zeitschrift für spekulative Physik«. Hier ist Gott die absolute Identität der Natur und des Denkens, der Materie und des Geistes, und die absolute Identität ist nicht Ursache des Weltalls, sondern sie ist das Weltall selbst, sie ist also das Gottweltall. In diesem gibt es auch keine Gegensätze und Teilungen. Die absolute Identität ist auch die absolute Totalität. Ein Jahr später hat Herr Schelling seinen Gott noch mehr entwickelt, nämlich in einer Schrift, betitelt »Bruno oder über das göttliche oder natürliche Prinzip der Dinge«. Dieser Titel erinnert an den edelsten Märtyrer unserer Doktrin, Giordano Bruno von

Weitere Kostenlose Bücher