Sämtliche Werke
Beerdigung nicht den gewöhnlichen Betrag derjenigen des geringsten Bürgers übersteigen. Obschon ich durch den Taufakt der lutherischen Konfession angehöre, wünsche ich nicht, daß die Geistlichkeit dieser Kirche zu meinem Begräbnisse eingeladen werde; ebenso verzichte ich auf die Amtshandlung jeder andern Priesterschaft, um mein Leichenbegängnis zu feiern. Dieser Wunsch entspringt aus keiner freigeistigen Anwandlung. Seit vier Jahren habe ich allem philosophischen Stolze entsagt und bin zu religiösen Ideen und Gefühlen zurückgekehrt; ich sterbe im Glauben an einen einzigen Gott, den ewigen Schöpfer der Welt, dessen Erbarmen ich anflehe für meine unsterbliche Seele. Ich bedaure, in meinen Schriften zuweilen von heiligen Dingen ohne die ihnen schuldige Ehrfurcht gesprochen zu haben, aber ich wurde mehr durch den Geist meines Zeitalters als durch meine eigenen Neigungen fortgerissen. Wenn ich unwissentlich die guten Sitten und die Moral beleidigt habe, welche das wahre Wesen aller monotheistischen Glaubenslehren ist, so bitte ich Gott und die Menschen um Verzeihung. Ich verbiete, daß irgendeine Rede, deutsch oder französisch, an meinem Grabe gehalten werde. Gleichzeitig spreche ich den Wunsch aus, daß meine Landsleute, wie glücklich sich auch die Geschicke unsrer Heimat gestalten mögen, es vermeiden, meine Asche nach Deutschland überzuführen; ich habe es nie geliebt, meine Person zu politischen Possenspielen herzugeben. Es war die große Aufgabe meines Lebens, an dem herzlichen Einverständnisse zwischen Deutschland und Frankreich zu arbeiten und die Ränke der Feinde der Demokratie zu vereiteln, welche die internationalen Vorurteile und Animositäten zu ihrem Nutzen ausbeuten. Ich glaube mich sowohl um meine Landsleute wie um die Franzosen wohlverdient gemacht zu haben, und die Ansprüche, welche ich auf ihren Dank besitze, sind ohne Zweifel das wertvollste Vermächtnis, das ich meiner Universalerbin zuwenden kann.
§ 8. Ich ernenne Herrn Maxime Jaubert, Rat im Kassationsgerichtshofe, zum Testamentsvollstrecker, und ich danke ihm für die bereitwillige Übernahme dieses Amtes.
Das vorliegende Testament ist so von Herrn Heinrich Heine diktiert und ganz von der Hand des Herrn Ducloux, eines der unterzeichneten Notare, geschrieben worden, wie es der Testator ihm diktiert hat, alles in Gegenwart der benannten Notare und der Zeugen, welche, darüber befragt, erklärt haben, daß sie nicht mit der Erbin verwandt seien.
Und nachdem es in Gegenwart derselben Personen dem Testator vorgelesen worden, hat er erklärt, dabei als dem genauen Ausdruck seines Willens zu verharren.
Geschehen und vollzogen zu Paris im oben bezeichneten Schlafzimmer des Herrn Heine.
Im Jahre achtzehnhunderteinundfünfzig, Donnerstag, den dreizehnten November, gegen sechs Uhr nachmittags.
Und nach abermaliger vollständiger Vorlesung haben der Testator und die Zeugen nebst den Notaren unterzeichnet.
F.-L. Ducloux
Ch.-E. Rousse
E. Grouchy
Henri Heine
M. Jacob
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