Sämtliche Werke
jetzt durch eine Quasilegitimität, durch Verbindung mit absoluten Fürsten und durch Fortsetzung der Restaurationsperiode zu erhalten suchen. Dadurch geschieht es, daß jetzt die Geister der Revolution ihm grollen und unter allen Gestalten ihn befehden. Diese Fehde ist jedenfalls noch gerechter als die Fehde gegen die vorige Regierung, welche dem Volke nichts verdankte und sich ihm gleich anfangs offen feindlich entgegensetzte. Ludwig Philipp, der dem Volke und den Pflastersteinen des Julius seine Krone verdankte, ist ein Undankbarer, dessen Abfall um so verdrießlicher, da man täglich mehr und mehr die Einsicht gewinnt, daß man sich gröblich täuschen lassen. Ja, täglich geschehen offenbare Rückschritte, und wie man die Pflastersteine, die man in den Juliustagen als Waffe gebrauchte und die an einigen Orten noch seitdem aufgehäuft lagen, jetzt wieder ruhig einsetzt, damit keine äußere Spur der Revolution übrigbleibe: so wird auch jetzt das Volk wieder an seine vorige Stelle, wie Pflastersteine, in die Erde zurückgestampft und, nach wie vor, mit Füßen getreten.
Ich habe vergessen, oben zu erwähnen: unter den Beweggründen, die dem Könige zugeschrieben worden, als er das Palais Royal verließ und die Tuilerien bezog, gehörte das Gerücht, daß er die Krone nur zum Scheine angenommen, daß er im Herzen seinem legitimen Herrn, Karl X., ergeben geblieben, daß er dessen Rückkehr vorbereite und deshalb auch nicht die Tuilerien beziehe. Die Karlisten hatten dieses Gerücht ausgeheckt, und es war absurd genug, um beim Volke Eingang zu finden. Nun, diesem Gerüchte ist durch die Tat widersprochen, der Sohn Egalités ist endlich als Sieger eingezogen durch die Triumphpforte des Carrousels und spaziert jetzt mit seinem sorglosen Gesichte und mit Hut und Regenschirm durch die weltgeschichtlichen Gemächer der Tuilerien. Man sagt, die Königin habe sich sehr gesträubt, dieses »Haus des Unglücks« zu bewohnen. Vom Könige will man wissen, er habe dort in der ersten Nacht nicht so gut wie gewöhnlich schlafen können und sei von allerlei Visionen heimgesucht worden; z.B. Marie Antoinette habe er mit zornsprühenden Nüstern, wie einst am 10. August, umherrennen sehen; dann habe er das hämische Gelächter jenes roten Männleins gehört, das sogar manchmal hinter Napoleons Rücken vernehmlich lachte, wem dieser eben seine stolzesten Befehle im Audienzsaale erteilte; endlich aber sei St. Denis zu ihm gekommen und habe ihn im Namen Ludwigs XVI. auf Guillotinen herausgefordert. St. Denis ist, wie männiglich weiß, der Schutzpatron der Könige von Frankreich, bekanntlich ein Heiliger, der mit seinem eigenen Kopfe in der Hand dargestellt wird.
Bedenklicher als alle Gespenster, die im Innern des Schlosses lauern mögen, sind die Torheiten, die sich bei seinen Außenwerken offenbaren. Ich rede von den famösen fossés des Tuileries. Diese waren lange Zeit ein Hauptgegenstand der Unterhaltung sowohl in Salons als in Carrefours, und noch immer liegen sie im Bereiche der bittersten und feindseligsten Besprechung. Als noch vor der Gartenfassade der Tuilerien die hohen Bretterwände standen, die den Augen des Publikums jene Arbeiten verhüllten, hörte man darüber die absurdesten Hypothesen. Die meisten meinten, der König wolle das Schloß befestigen, und zwar von der Gartenseite, wo einst am 10. August das Volk so leicht eindringen konnte. Es hieß sogar, der Pont Royal würde deshalb abgebrochen. Andere meinten, der König wolle nur eine lange Mauer aufrichten, um sich selbst die Aussicht nach der Place de la Concorde zu verdecken; dieses jedoch geschehe nicht aus kindischer Furcht, sondern aus Zartgefühl; denn sein Vater starb auf der Place de Grève, die Place de la Concorde aber war der Hinrichtungsplatz für die ältere Linie. Indessen, wie dem armen Ludwig Philipp so oft Unrecht geschieht, so auch hier. Als man jene mystischen Bretterwände vor dem Schlosse wieder niederriß, sah man weder Befestigungswerke noch Schutzmauern, weder Schanzgräben noch Bastionen, sondern eitel Dummheit und Blumen. Der König hatte nämlich, bausüchtig wie er ist, den Einfall gehabt, vor dem Schlosse einen kleinen Garten für sich und seine Familie von dem größern öffentlichen Garten abzuscheiden, diese Abscheidung war nur durch einen gewöhnlichen Graben und ein Drahtgitterwerk von einigen Fuß Höhe ausgeführt worden, und in den ausgestochenen Beeten standen schon Blumen, ebenso unschuldig wie jene Gartenidee des Königs
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