Sämtliche Werke
dem Prinzipe der Legitimität huldigen würden. Dieses wäre jedenfalls eine lächerliche Inkonsequenz. Ebenso lächerlich ist die Meinung, daß der Sohn, wenn er auch nicht die Größe seines Vaters erreiche, doch gewiß nicht ganz aus der Art geschlagen und immer ein kleiner Napoleon sei. Ein kleiner Napoleon! Als ob die Vendômesäule nicht eben durch ihre Größe unsere Bewunderung erregte. Eben weil sie so groß ist und stark, will sich das Volk an sie lehnen in dieser vagen, schwankenden Zeit, wo die Vendômesäule das einzige in Frankreich ist, was fest steht.
Um diese Säule drehen sich alle Gedanken des Volkes. Sie ist sein unverwüstliches eisernes Geschichtsbuch, und es liest darauf seine eigenen Heldentaten. Besonders aber lebt in seiner Erinnerung die schmähliche Art, wie von den Deutschen das Standbild dieser Säule mißhandelt worden, wie man dem armen Kaiser die Füße abgesägt, wie man ihm, gleich einem Diebe, einen Strick um den Hals gebunden und ihn herabgerissen von seiner Höhe. Die guten Deutschen haben ihre Schuldigkeit getan. Jeder hat seine Sendung auf dieser Erde, unbewußt erfüllt er sie und hinterläßt ein Symbol dieser Erfüllung. So sollte Napoleon in allen Ländern den Sieg der Revolution erfechten; aber uneingedenk dieser Sendung, wollte er durch den Sieg sich selbst verherrlichen, und egoistisch erhaben stellte er sein eigenes Bild auf die erbeuteten Trophäen der Revolution, auf die zusammengegossenen Kanonen der Vendômesäule. Da hatten die Deutschen nun die Sendung, die Revolution zu rächen und den Imperator wieder herabzureißen von der usurpierten Höhe, von der Höhe der Vendômesäule. Nur der dreifarbigen Fahne gebührt dieser Platz, und seit den Juliustagen flattert sie dort siegreich und verheißend. Wenn man in der Folge den Napoleon wieder hinaufsetzt auf die Vendômesäule, so steht er dort nicht mehr als Imperator, als Cäsar, sondern als ein durch Unglück gesühnter und durch Tod gereinigter Repräsentant der Revolution, als ein Sinnbild der siegenden Volksgewalt.
Da ich eben von dem jungen Napoleon und dem jungen Heinrich gesprochen, so muß ich auch des jungen Herzogs von Orleans Erwähnung tun. In den Bilderladen sieht man sie hier gewöhnlich nebeneinander hängen, und unsere Pamphletisten diskutieren beständig diese drei sonderbaren Legitimitäten. Daß letztere auch außerdem ein Hauptthema des öffentlichen Geschwätzes sind, versteht sich von selbst. Es ist zu weitläufig und unfruchtbar, als daß ich es auch hier erörtern möchte. Jede Auskunft über die persönlichen Eigenschaften des Herzogs von Orleans scheint mir wichtiger zu sein, da sich an die Persönlichkeit des jungen Fürsten so viele Interessen der nächsten Wirklichkeit knüpfen. Die praktischere Frage ist nicht, ob er das Recht hat, den Thron zu besteigen, sondern ob er die Kraft dazu hat, ob seine Partei dieser Kraft vertrauen darf und was, da er in jedem Falle eine wichtige Rolle spielen muß, von seinem Charakter zu erwarten steht. Über letztern sind aber die Meinungen verschieden, ja entgegengesetzt. Die einen sagen, der Herzog von Orleans sei gänzlich borniert, geistesblöde, stumpfsinnig, sogar in seiner Familie heiße er grand poulot, dabei sei er dennoch mit absolutistischen Neigungen behaftet, manchmal bekomme er sogar Anfälle von Herrschwut, so habe er z.B. halsstarrig darauf bestanden, daß ihn sein Vater zur Zeit der Ouvrier-Emeuten nach Lyon gehen lasse, denn sonst käme ihm der Herzog von Reichstadt zuvor usw. Andere hingegen sagen, Se. Königliche Hoheit der Kronprinz sei lauter Herzensgüte, Wohlgesinnung und Bescheidenheit; er sei ein sehr vernünftiger junger Mensch, der die angemessenste Erziehung und den besten Unterricht genossen; er sei voll Mut, Ehrgefühl und Freiheitsliebe, wie er denn oft seinem Vater ein liberaleres System dringend anrate; er sei ganz ohne Falsch und Groll, er sei die Liebenswürdigkeit selbst und räche sich an seinen Feinden am liebsten dadurch, daß er ihnen beim Tanze die hübschen Mädchen wegkapere. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß solch wohlwollendes Urteil von den Anhängern der Dynastie, das böswillige aber von deren Gegnern herrührt. Diesen ist ebensowenig wie jenen zu trauen.
Ich kann also über den jungen Fürsten nichts Bestimmtes mitteilen, als was ich selbst gesehen habe, nämlich wie sein Äußeres beschaffen ist. Hier muß ich, der Wahrheit gemäß, eingestehen, er sieht gut aus. Eine etwas längliche, nicht
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