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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Mann, der selbst bei Valmy und Jemappes für die Freiheit gefochten, der von seiner frühesten Jugend an bis jetzt die Worte Freiheit und Gleichheit im Munde geführt und sich, in Opposition gegen die eigene Sippschaft, als einen Repräsentanten der Demokratie dargegeben hat.
    Wie herrlich leuchtete dieser Mann im Glanze der Juliussonne, die sein Haupt wie mit einer Glorie umstrahlte und selbst auf seine Fehler so viel heiteres Licht streute, daß sie noch mehr als seine Tugenden blendeten. »Valmy und Jemappes!« war damals der patriotische Refrain aller seiner Reden; er streichelte die dreifarbige Fahne wie eine wiedergefundene Geliebte; er stand auf dem Balkone des Palais Royal und schlug mit der Hand den Takt zu der Marseillaise, die unten das Volk jubelte; und er war ganz der Sohn der Gleichheit, fils d’Égalité, der Soldat tricolore der Freiheit, wie er sich von Delavigne in der Parisienne besingen lassen und wie er sich von Horace Vernet malen lassen auf jenen Gemälden, die in den Gemächern des Palais Royal immer besonders bedeutungsvoll zur Schau gestanden. In diesen Gemächern hatte das Volk während der Restauration immer freien Zutritt; und da wandelte es herum des Sonntags und bewunderte, wie bürgerlich alles dort aussah, im Gegensatze zu den Tuilerien, wo kein armer Bürgersmann so leicht hinkommen durfte; und mit besonderer Vorliebe betrachtete man das Gemälde, worauf Ludwig Philipp abgebildet ist, wie er in der Schweiz als Schullehrer vor der Weltkugel steht und den Knaben in der Geographie Unterricht erteilt. Die guten Leute dachten wunder, wieviel er selbst dabei gelernt haben müsse! Jetzt sagt man, Ludwig Philipp habe damals nichts anderes gelernt als faire bonne mine à mauvais jeu und allzu große Schätzung des Geldes. Die Glorie seines Hauptes ist verschwunden, und der Unmut erblickt darin nur eine Birne.
    Die Birne ist noch immer stehender Volkswitz in Spottblättern und Karikaturen. Jene, namentlich »Le Revenant«, »Les Cancans«, »Le Brid-Oison«, »La Mode«, und wie das karlistische Ungeziefer sonst heißen mag, mißhandeln den König mit einer Unverschämtheit, die um so widerwärtiger ist, da man wohl weiß, daß das edle Faubourg solche Blätter bezahlt. Man sagt, die Königin lese sie oft und weine darüber; die arme Frau erhält diese Blätter durch den unermüdlichen Diensteifer jener schlimmsten Feinde, die unter dem Namen »die guten Freunde« in jedem großen Hause zu finden sind. Die Birne ist, wie gesagt, ein stehender Witz geworden, und Hunderte von Karikaturen, worauf man sie erblickt, sind überall ausgehängt. Hier sieht man Périer auf der Rednerbühne, in der Hand die Birne, die er den Umsitzenden anpreist und an den Meistbietenden für achtzehn Millionen losschlägt. Dort wieder liegt eine ungeheuer große Birne gleich einem Alp auf der Brust des schlafenden Lafayette, der, wie an der Zimmerwand angedeutet steht, von der besten Republik träumt. Dann sieht man auch Périer und Sebastiani, jener als Pierrot, dieser als dreifarbiger Harlekin gekleidet, durch den tiefsten Kot waten und auf den Schultern eine Querstange tragen, woran eine ungeheuere Birne hängt. Den jungen Heinrich sieht man als frommen Wallfahrter in Pilgertracht, mit Muschelhut und Stab, woran oben eine Birne hängt, gleich einem abgeschnittenen Kopfe.
    Ich will wahrlich den Unfug dieser Fratzenbilder nicht vertreten, am allerwenigsten, wenn sie die Person des Fürsten selbst betreffen. Ihre unaufhörliche Menge ist aber eine Volksstimme und bedeutet etwas. Einigermaßen verzeihlich werden solche Karikaturen, wenn sie, keine bloße Beleidigung der Persönlichkeit beabsichtigend, nur die Täuschung rügen, die man gegen das Volk verübt. Dann ist auch ihre Wirkung grenzenlos. Seit eine Karikatur erschienen ist, worauf ein dreifarbiger Papagei dargestellt ist, der auf jede Frage, die man an ihn richtete, abwechselnd »Valmy« oder »Jemappes« antwortet, seitdem hütet sich Ludwig Philipp, diese Worte so wiederholentlich wie sonst vorzubringen. Er fühlt wohl, in diesen Worten lag immer ein Versprechen, und wer sie im Munde führte, durfte keine Quasilegitimität nachsuchen, durfte keine aristokratischen Institutionen beibehalten, durfte nicht auf diese Weise den Frieden erflehen, durfte nicht Frankreich ungestraft beleidigen lassen, durfte nicht die Freiheit der übrigen Welt ihren Henkern preisgeben. Ludwig Philipp mußte vielmehr auf das Vertrauen des Volkes den Thron stützen, den er dem

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