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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Donna eine so schauderhafte und haarsträubende Dame?«
    »Seit sie – erstochen worden ist!« rang es sich zwischen den bebenden Lippen des alten Mannes hervor.
    »Erstochen? Virgen santa! Habt Ihr das genau gesehen?«
    »Ganz genau, so genau und deutlich, daß ich vor Schreck kaum zu Euch zurückkehren konnte. Kommt mit und überzeugt Euch selbst!«
    Er führte die Drei in das Balkonzimmer, in welchem die Lampe noch brannte, und von da aus in den Nebenraum, wo die Gräfin in ihrem Blute auf dem Bette lag. Eine tiefe, klaffende Wunde, die gerade zum Herzen führte, hatte ihr einen augenblicklichen Tod gebracht. Das Entsetzen raubte den Umstehenden für längere Zeit die Sprache. Der Alkalde fand sie zuerst wieder.
    »Don Juan de Dios, habt Ihr Feder und Papier?«
    » Dort auf dem Schreibpulte liegt, was Ihr sucht.«
    »Sennor Eskribana, stellt Euch an das Pult und schreibt Alles nieder, was Ihr vernehmt! Ich werde die Kriminaluntersuchung schleunigst beginnen.«
    Die Befragung der herbeigerufenen Dienerschaft ergab,   daß dieselbe von dem verübten Verbrechen nicht das Mindeste wußte und auch Keiner durch irgend einen Laut oder ein ungewöhnliches Geräusch in seiner Ruhe gestört worden war. Der kleine Fabian fehlte; das zerbrochene Balkonthürfenster zeigte, auf welchem Wege die Thäter eingedrungen waren, alles Werthvolle hatte man entwendet und die noch an der Balustrade hängende Strickleiter vervollständigte die Deutlichkeit des Bildes, welches man sich von dem verabscheuungswürdigen Vorgange machen konnte.
    Der Eskribano Don Georgio Cagatinta stand am Pulte und schrieb, daß die Feder schwirrte. Dicke Schweißtropfen rannen ihm von der Stirn, denn er hatte während seines ganzen Lebens noch nicht so viel Galläpfelblut vergossen, wie in dieser Viertelstunde. Endlich, endlich durfte er den Federkiel ausspritzen; der Alkalde erklärte, mit seiner Untersuchung auf dem Schlosse fertig zu sein.
    »Im Namen des Gesetzes befehle ich, daß hier Alles genau bleibt, wie es ist, bis der Prokurator kommt, dem ich Meldung machen werde, sobald ich auch am Strand gewesen bin!«
    Er lud die Anwesenden ein, das Zimmer zu verlassen, verschloß dasselbe und steckte den Schlüssel zu sich. Dann verließ er mit dem Hauptmanne und Cagatinta das Schloß, um sich zu der Leiche des Erschossenen zu begeben.
    »Wollt Ihr nicht den Alguazil (Polizist) mitnehmen, Don Ramon Cohecho?« frug der Schreiber. »In solchen Fällen ist die Gegenwart der Polizei geboten.«
    »Ich bin selbst Polizei, und der Alguazil darf nicht gestört werden, er hat mir bis Mittag den neuen Mantel fertig zu machen. Hätte er nicht die edle Kunst der Schneiderei erlernt, so müßte er verhungern, denn er kann keinen Gehalt bekommen, weil die Gemeindekasse nicht auf solche Dinge eingerichtet ist.«
    Als die drei Männer an der Küste angekommen waren, stieg der Hauptmann zu Pepe empor, welcher noch immer bei seiner Laterne lag.
    »Pepe!«
    Der Küstenwächter schlief.
    »Pepe!«
    Don Lukas ergriff den Arm seines Untergebenen und schüttelte ihn heftig.
    »Pepe, wach auf. Der Alkalde will Dich vernehmen.«
    Der Miquelete erwachte.
    »Vernehmen? Ah, Herr Hauptmann, Sie sind es! wo ist der Alkalde?«
    »Unten bei der Leiche. Aber sage mir einmal, Pepe, wohin hattest Du den Brief gesteckt?«
    »Ich glaube in die Pantalons.«
    »Du glaubst es?«
    »Ja.«
    »Also gewiß weißt Du es nicht?«
    »Ganz gewiß, denn was ich gewiß weiß, das kann ich auch glauben.«
    »Aber er steckt nicht darin!«
    »Nicht? Woher wissen Sie das, Don Lukas?«
    Der Hauptmann schien in Folge der Frage in einige Verlegenheit zu kommen, doch hielt er es für das Beste, die Wahrheit zu sagen.
    »Ich dachte, daß Dir während Deiner Abwesenheit das kostbare Schreiben abhanden kommen könne und trat daher ein, um es an einen sichern Ort zu bringen. Die   Taschen Deiner Pantalons aber waren leer. Besinne Dich, wo ist der Brief?«
    »Er stak in den Pantalons, Herr Hauptmann; ist er nicht mehr darin, so kann ich nicht anders denken, als daß er sich jetzt an dem sichern Ort befindet, von dem Sie sprachen.«
    »So meinst Du, ich hätte ihn genommen?«
    Pepe gähnte.
    »Worten wir nicht zum Alkalden gehen?«
    »Ja. Also das Schreiben –?«
    »Befindet sich in den Pantalons!«
    Er nahm seine Laterne und überließ es dem Hauptmanne, ihm zu folgen oder nicht.
    Als sie bei der Leiche ankamen, fanden sie Don Ramon Cohecho beschäftigt, ein Verzeichniß der geraubten Sachen aufzunehmen; die

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