Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
sein, denn er bietet Dios die Hand und begrüßt ihn wie der Herr den Diener begrüßt!«
Die Beiden schlugen den Weg nach dem Schlosse ein und mußten hart an Pepe vorüber, welcher vor Aufregung beinahe zitternd, den Ankömmling mit funkelnden Augen fixirte. Der Graf mußte diesen Blick bemerken. Er bohrte sein dunkles Auge in das Gesicht des Miquelete und wurde einen Schatten bleicher. Pepe trat, rasch mit sich im Klaren, einen Schritt vor.
»Erlaubt, Don Juan de Dios! Ist dieser Herr wirklich die Excellenza von Mediana.«
»Ja, Pepe, ich habe Recht gehabt; es ist mein hoher Herr und Gebieter, welcher von einer langen und weiten Reise nach Elanchovi zurückkehrt!«
Pepe wandte sich nun zum Grafen.
»Dann bitte ich um eine Unterredung, Don Antonio!«
»Warum?«
»Weil ich Ihnen eine Frage vorzulegen habe, die sehr wichtig ist.«
»Sprich sie aus!«
»Ich werde sie nur unter vier Augen thun.«
»So komme hinauf zum Schlosse.«
»Um sechs Uhr ist Ablösung, dann werde ich kommen!«
Im Tone des Miquelete lag nicht jene herkömmliche Ergebenheit, mit welcher der tiefer Gestellte mit dem höher Geborenen zu sprechen pflegt, und seine letzten Worte schienen beinahe eine Drohung zu enthalten. Des Grafen Augen blitzten auf; doch er bezwang sich, und ein verächtliches Lächeln zuckte ihm um den Mund.
»So komm!« klang es kalt und streng; dann schritten die Beiden weiter.
Pepe verfolgte sie mit seinem Blicke, bis sie hinter den Felsen verschwunden waren.
»Santa Lauretta, er ist es wirklich; ich habe ihn auch an der Stimme wieder erkannt! Er hat die Gräfin ermordet und den kleinen Don Fabian geraubt, um ihre Güter für sich zu bekommen. Jetzt werde ich die Qual los, welche mir das Gewissen bereitet hat. Ich werde ihn anklagen; ja, das werde ich, obgleich er eine Excellenza ist und ich bin nur Pepe, der Schläfer!«
Er konnte die sechste Stunde kaum erwarten und stieg, als er sich vom Dienste frei sah, mit großen, hastigen Schritten zum Schlosse empor.
Er wurde in dasselbe Balkonzimmer geführt, in welchem man die Gräfin überfallen hatte. Der Graf stand am Fenster und blickte hinaus auf die See. Beim Eintritte des Küstenwächters warf er sich mit einer raschen Wendung herum.
»Warum hast Du den Karabiner nicht draußen abgelegt?«
»Weil ich nicht überzeugt bin, daß ich ihn hier entbehren kann,« antwortete Pepe ruhig.
»Ah! Was willst Du?«
»Ich wollte fragen, ob Sie Ihren Ring zurücknehmen wollen.«
»Welchen Ring?«
»Den ich von dem Kapitän der ›Esmeralda‹ in der Ensenada erhielt.«
»Geh. Ich habe weder Zeit noch Lust, Deine Räthsel anzuhören!«
»Es sind keine Räthsel für Sie. Wo ist Don Fabian, der Knabe, mit dem Sie mir entkamen?«
Der Graf schnellte einige Schritte näher; seine Fäuste ballten sich, doch ließ er die Hände wieder sinken, als Pepe den Karabiner erhob.
»Bist Du wahnsinnig?«
»Nein,« lächelte der Miquelete. »Meine Gedanken und Sinne sind so gesund und gut, daß ich mich von keinem Titel täuschen lasse. Gebt den Knaben zu rück!«
»Ich lasse Dich festnehmen und schicke Dich in das Irrenhaus!«
»Ich lasse Sie festnehmen und schick Sie auf das Schaffot oder auf die Galeere!«
»Geh!«
»Wo ist der Knabe?«
Don Antonio trat hart an ihn heran. Auf seinem Gesichte stritt sich der Ausdruck des Spottes mit dem der Verachtung.
»Mensch, bildest Du Dir wirklich ein, daß ich Dich fürchten muß? Ich will Dich mehr als zur Genüge vom Gegentheile überzeugen! Ja, ich bin der Kapitän der ›Esmeralda,‹ ich habe die Gräfin erdolchen lassen und den Knaben entführt. Ich ließ ihn auf einem kleinen Boote aussetzen, da ich mich nicht unmittelbar an ihm vergreifen wollte; jetzt ist er verschmachtet oder eine Beute der Haifische geworden. Nun geh’ und zeige mich an, Wurm, der Du bist!«
Pepe sah ihm fest und ruhig in die Augen.
»Don Antonio de Mediana, Sie sollen Ihren Willen haben. Und läßt die menschliche Gerechtigkeit sich von Ihnen bestechen, so gibt es einen höheren Richter, dem Sie sicher nicht entgehen werden. Er wird Sie finden, und wenn Sie vor ihm in die tiefste Wildniß fliehen. Merken Sie sich das! Und wenn seine Hand Sie ereilt, so denken Sie an Pepe, der Gott bitten wird, den Mord nicht ungestraft zu lassen!«
Er ging, aber nicht in seine Wohnung, sondern zum Alkalden. Er fand den Hauptmann bei ihm. Der Erstere trat ihm mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit entgegen.
»Ihr kommt zur guten Stunde, um eine Neuigkeit zu hören,
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