Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Büchse?«
»Ja.«
»Paß auf. Sobald es blitzt, lässest Du Dich fallen. Die Kugel braucht von drüben bis herüber wohl so viel Zeit, daß Du zwischen Blitz und Treffen zur Erde bist.«
»Habe keine Sorge. Der Mann da drüben trifft mich nicht!«
»Aber ich ihn!« betheuerte Rosenholz, indem er sich gemächlich niederstreckte und die Mündung seiner Büchse so vorsichtig zwischen zwei Steine schob, daß sie von oben nicht bemerkt werden konnte.
»Ihr kennt die beiden Räuber schon?« frug Fabian.
»Ein wenig, mein Sohn. Ich lag eines schönen Tages im Schlafe, während Pepe gegangen war, um einen Trunk Wassers zu holen. Da überfielen mich die beiden Schufte und hatten mich gebunden, ehe ich zum Aufwachen kam. Sie wollten mir die Häute abnehmen, die Biberfelle nämlich und meine eigene Haut, und schon hatte mir Red-Hand das Messer einmal um den Kopf gezogen, als Pepe kam und ihm mit dem Kolben bedeutete, wem das Fell gehöre. Wir ließen damals die Schufte laufen, besser aber wäre es gewesen, wenn wir ihnen den Weg in die ewigen Jagdgründe gezeigt hätten.«
Jetzt erhob sich drüben wieder die Stimme des Mestizen.
»Ihr wollt wissen, was Euch erwartet? Ergebt Euch auf Gnade und Ungnade!«
»Wem?«
»Mir. Es giebt einen Mann, der Schwarzvogel heißt; dieser will Euch gerne bei sich sehen, und ich werde Euch ihm unversehrt überliefern.«
»Seid Ihr fertig?«
»Ja.«
»Dann sollt Ihr auch unsere Antwort haben: Es giebt einen Mann, der Eure Büchse hat; Ihr sollt ihre Kugeln schmecken!«
»Der meine Büchse hat?« frug der Mestize gespannt.
Fabian erhob sich.
»Wollt Ihr noch einmal Abschied von ihr nehmen?« frug er, das Gewehr zeigend.
»Teufel, Tiburcio Arellanos! Jetzt giebt es keine Gnade mehr. Feuer!«
Es blitzte drüben auf, während El Mestizo, Red-Hand und der Indianer verschwanden. Aber im Nu lagen auch Pepe und Fabian am Boden; die verrätherische Kugel schlug in einen Stein, drüben jedoch ertönte ein lauter Schrei. Mit dem Blitze drüben hatte der Kanadier abgedrückt, und seine Kugel hatte ihr Opfer gefunden. Der Kampf war begonnen worden zum Nachtheile der Belagerer, die ihren Verrath mit dem ersten Todten bezahlen mußten.
Pepe zog sein Messer und machte einen Einschnitt in den Stamm der einen Fichte.
»Eine Rothhaut. Bleiben elf!«
»Oder: Drei Weiße, bleiben zwei,« meinte der Kanadier. »Das Gesträuch, zwischen welchem hervorgeschossen wurde, hat eine dünne, lichte Stelle, hinter welcher ich nicht ein dunkles Gesicht, sondern dasjenige eines Weißen schimmern zu sehen glaubte.«
Seine Meinung wurde sofort bestätigt. Es wurde von sechs Händen drüben ein Weißer über die Büsche emporgehoben; man sah deutlich, daß ihm die Kugel durch den Kopf gegangen war. Im nächsten Augen blicke flog er über den Rand des Felsens herüber und stürzte mit laut schallendem Aufschlage in die Tiefe des Wasserkessels.
»Baraja!« meinte Fabian.
»Ja, Baraja,« bestätigte Rosenholz. »Die göttliche Gerechtigkeit begräbt ihn an demselben Orte, an welchem sein Opfer Oroche den Tod gefunden hat.«
»Und diese Gerechtigkeit,« fügte Dormillon bei, »läßt ihn als Ersten in einem Kampfe fallen, den er angestiftet hat. Nun ist der Letzte stumm, von dem ein Verrath der Bonanza zu befürchten gewesen wäre. Das Gold bleibt Euch sicher, Sennor Fabian!«
»Sie vermuthen es nach der lügenhaften Aussage des Verräthers hier unter uns in dem Grabe und werden den wirklichen Ort nie finden.«
»Aber die Ruhestätte Deines Oheims entweihen, mein Sohn. Doch ich hoffe, daß es uns gelingen wird, ihrer so Viele zu treffen, daß ihnen dies vergehen wird. Wir sind zu Dreien; theilen wir also die Angriffslinie in drei Strecken, von denen jeder von uns eine mit seiner Büchse bewacht! Ich nehme den Theil rechts, bis zu dem wilden Rebengerank; Du, Pepe, nimmst die linke Flanke bis herauf zu dem Nußgesträuch, und Du, Fabian, das Centrum zwischen Beiden. Auf diese Weise konzentriren wir unsere Aufmerksamkeit auf eine Strecke, welche so wenig ausgedehnt ist, daß unser Auge nicht ermüdet.«
»So werde ich mir gleich einen Rothen holen!« meinte Pepe. »Ich lasse mich fressen, wenn dort hinter der kleinen Cypresse nicht ein Indianer sein Wigwam aufgeschlagen hat.«
Er gab dem Laufe seiner Büchse eine sichere Unterlage, zielte einen Augenblick lang und drückte dann los. Ein lautes Geheul gab Zeugniß, daß er nur zu gut getroffen habe.
»Die Hallunken sind so gütig, uns zu
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