Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
sein Bein festgebissen hatte, mit blutenden Flanken und weit hervorgestreckter Zunge dem Flusse zu, gerade den Zuschauern dieser seltsamen Jagd gegenüber. Dort machte es sich mit einer letzten Anstrengung von seinem Feinde frei und sprang in das Wasser.
»Das ist schön; das ist herrlich!« rief Fabian. »Der Edle hat sich gerettet!«
Die verfolgenden Wölfe waren nahe daran, dem Wilde nachzuspringen, als sie plötzlich, wie von einem panischen Schrecken ergriffen, sich wandten und davonjagten.
»Was ist das?« rief Fabian. »Warum fliehen sie?«
»Bücke Dich, bücke Dich, Kind!« antwortete Rosenholz. »Verstecke Dich hinter die Stauden!«
Augenblicklich lagen die drei Männer platt am Boden, denn es zeigten sich jetzt andere, furchtbarere Jäger auf dem großen Kampfplatze, der in diesen herrenlosen Wüsteneien dem ersten Besten geöffnet ist.
Etwa zwölf von den wilden Pferden, welche der Kanadier und Pepe vorhin beobachtet hatten, galoppirten ganz bestürzt über die Ebene hin. Indianer, welche auf Pferden ohne Sattel ritten, um dieselben leichter und flinker zu machen, sprengten hinter den erschrockenen Thieren her. Die Reiter waren auf ihren Pferden zusammengekauert, daß ihnen die Kniee fast bis an das Kinn reichten, wodurch den Thieren die Möglichkeit einer durchaus freien Bewegung gegeben werden sollte.
Anfangs konnte man nur drei Indianer sehen, nach und nach aber tauchten etwa zwanzig am Horizonte auf. Die Einen waren mit Spießen bewaffnet, die Andern schwangen ihre aus Leder geflochtenen Lasso’s in der Luft, und Alle stießen jenes Geschrei aus, mit welchem sie sowohl ihre Freude als auch ihren Zorn zu erkennen geben.
Pepe warf einen fragenden Blick auf den Kanadier; ein deutlich sprechendes Nicken war die Antwort.
»Ist das eine ernsthafte Jagd oder nur ein listiges Spiel, Rosenholz?«
»Hm! Wir müssen es abwarten, Pepe. Ich wüßte nicht, woher die Rothen wissen sollten, daß wir uns hier befinden.«
Die wilden Reiter verfolgten die vor ihnen herfliehenden Pferde. Die zahllosen Hindernisse, mit denen diese dem Anscheine nach so ebenen Flächen übersät sind, die Schluchten, die Hügel, die Caktuspflanzen mit ihren scharfen Spitzen vermochten sie nicht aufzuhalten. Ohne diese Hindernisse zu umgehen oder ihretwegen ihren ungestümen Ritt zu mäßigen, setzten sie mit einer Kühnheit über sie hinweg, welcher nichts Einhalt zu thun vermochte.
Selbst ein kühner Reiter, beobachtete Tiburcio mit wahrer Begeisterung die Reiterkunststücke dieser unerschrockenen Jäger; allein die Vorsichtsmaßregeln, welche die drei Freunde ergreifen mußten, um sich dem Auge der Indianer zu entziehen, ließen sie einen großen Theil des imposanten und furchtbaren Schauspieles einer indianischen Jagd, deren Gegenstand man selbst werden kann, verlieren.
Die Savanne, welche vorhin erst so öde gewesen war, hatte sich plötzlich in einen Schauplatz des Tumultes und der Verwirrung verwandelt. Der in die Enge getriebene Hirsch hatte sich genöthigt gesehen, den festen Boden wieder zu suchen; er floh zur Seite hinaus, begegnete aber dort den Wölfen wieder, welche, durch die gehabten Anstrengungen aufgeregt, ihn heulend verfolgten. Die wilden Pferde galoppirten vor den Indianern her, deren Geheul dem der Raubthiere nichts nachgab, und beschrieben große Kreise, um der Lanze oder dem Lasso zu entgehen.
Aber jetzt bekam die Scene eine andere Wendung.
Zwischen zwei wellenförmigen Bodenerhebungen kam, die Indianer nicht bemerkend, ein Reiter herbei, den die drei Verbündeten trotz der Entfernung sofort als einen Weißen erkannten.
»Santa Lauretta, ein Bleichgesicht!« rief Pepe. »Jedenfalls ein Kundschafter Arechiza’s, der sich ein wenig in der Gegend umsehen soll. Er ist hinter dem Winde und hat die Rothen nicht hören können. Da, da, sie haben ihn gesehen. Paß auf, Fabian, er ist verloren!«
Es war so, wie Dormillon sagte. Er kam, noch nichts ahnend, im langsamen Schritte durch die Vertiefung geritten, während die Wilden schon hinter ihm einen Bogen beschrieben, um ihn einzuschließen. Die Pferde und Wölfe, der Hirsch, sie waren im fernen Nebel verschwunden, und nur die zwanzig Indianer waren zurückgeblieben, die sich auf allen Punkten eines ungeheuern Halbkreises zerstreut hatten, dessen Mittelpunkt der weiße Reiter war.
Jetzt bemerkte er sie. Man konnte deutlich sehen, wie er vor Schreck zusammenzuckte und dann den Horizont musterte, um einen Ausweg zu suchen. Er erkannte, daß die
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