Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
werde ich es ihm hiermit zurückgeben. Diese Toten haben mehr Waffen bei sich, als ich für mich bedarf.«
Er gab das Gewehr zurück, machte aber dabei ein Gesicht, in welchem das größte Bedauern zu lesen war. Den Toten wurden alle nützlichen Gegenstände abgenommen. Als man ihre Taschen nach solchen durchsuchte, meinte Bill: »Der Kerl hat mich gekannt; ich aber kann mich nicht erinnern, ihn jemals gesehen zu haben. Mag sein! Aus seinen Worten ging hervor, daß ich von ihm und also auch von den andern nichts Gutes zu erwarten hatte. Darum wollen wir uns ja nicht über den Tod dieser Menschen grämen. Wer weiß, wie viele Schandthaten wir dadurch, daß sie unsre Kugeln bekamen, verhütet haben. Nun kann sich auch der Häuptling beritten machen, und es bleiben noch vier ledige Pferde übrig, gerade ausreichend für die Osagen, welche wir herausholen wollen.«
»Nun reiten wir sofort zu den Tramps?« fragte der Engländer.
»Natürlich. Ich kenne diese Gegend und weiß, daß wir nicht vor Abend an dem Osage-nook ankommen können, da wir nicht die gerade Richtung einschlagen dürfen, sondern einen Bogen schlagen müssen, um den Wald hinter ihnen zu erreichen.«
»Und diese Leichen?«
»Lassen wir einfach liegen. Oder habt Ihr vielleicht Lust, diesen Halunken ein Erbbegräbnis, ein Mausoleum bauen zu lassen? Mögen sie in den Magen der Geier und Cojoten begraben werden, mehr gehört ihnen nicht!«
Das war vielleicht eine harte, eine unchristliche Rede, aber der wilde Westen hat seine eigene Art von Zartgefühl; in einer Gegend, wo ringsum Tod und Verderben drohen, wird der Mensch gezwungen, Rücksicht zunächst nur auf sich selbst zu nehmen und alles zu vermeiden, was seine persönliche Sicherheit gefährdet. Hätten die vier Männer sich bei den Leichen verweilen wollen, um sie zu begraben und ein Gebet über ihnen zu sprechen, so wäre das eine Zeitverschwendung gewesen, welche sie sehr leicht, die gefangenen Osagen aber fast sicher, mit dem Leben hätten bezahlen müssen. Man koppelte also die ledigen Pferde zusammen, stieg auf und ritt davon, zunächst gerade nordwärts, um dann nach Osten umzubiegen. Der Häuptling machte den Führer, da er den Lagerplatz der Tramps kannte. Es ging während des ganzen Nachmittags über die offene Rolling-Prairie. Keine Fährte wurde getroffen und kein Mensch gesehen. Als die Sonne sich zur Rüste neigen wollte, erblickte man in der Ferne einen dunklen Waldstreifen, und der Osage erklärte: »Das ist die hintere Seite des Waldes. Die vordere biegt sich nach innen und bildet die Ecke oder den Winkel, welchen wir den Winkel des Mordes nennen, und dort liegen die Gräber unsrer Erschlagenen.«
»Wie weit ist es, ehe man von hier aus quer durch den Wald den Winkel erreicht?« fragte der Lord.
»Haben wir den Wald betreten, so müssen wir eine Viertelstunde gehen, um an das Lager der Tramps zu gelangen,« erklärte der Rote.
Da hielt Bill sein Pferd an, stieg ab und setzte sich, ohne ein Wort zu sprechen, im Grase nieder. Der Uncle und der Indianer folgten diesem Beispiele, als ob sich das ganz von selbst verstehe. Der Englishman stieg infolgedessen auch ab, erkundigte sich aber: »Ich denke, wir dürfen keine Zeit verlieren. Wie können wir die Osagen befreien, wenn wir uns hier niedersetzen und die Hände in den Schoß legen?«
»Das ist sehr falsch gefragt, Sir,« antwortete der Buckelige. »Fragt lieber: Wie können wir die Osagen befreien, wenn wir erschossen worden sind?«
»Erschossen? Wieso?«
»Meint Ihr, daß die Tramps ruhig in ihrem Lager sitzen bleiben?«
»Schwerlich!«
»Ganz gewiß nicht! Sie müssen essen und werden also jagen. Sie schwärmen im Walde umher. Dieser ist da, wo wir ihn betreten, nur eine Viertelstunde breit, und es läßt sich mit vollster Bestimmtheit erwarten, daß sich gerade dort Leute befinden, welche uns kommen sehen würden. Wir müssen also hier warten, bis es dunkel geworden ist; dann haben sich die Kerls alle nach dem Lager zusammengezogen, und wir können unbemerkt den Wald erreichen. Seht Ihr das ein?«
»Well,« nickte der Lord, indem er sich nun auch niedersetzte. »Habe nicht geglaubt, daß ich noch so dumm sein kann!«
»Ja, Ihr wäret diesen Leutchens gerade in die Hände geritten, und ich hätte Euer Tagebuch nach Frisco tragen müssen, ohne einen einzigen Dollar zu bekommen.«
»Nichts bekommen? Warum?«
»Weil wir unser Abenteuer noch nicht ganz erlebt haben.«
»Haben es erlebt! Ist bereits vorüber und auch
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