Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
»Aufgepaßt, sie kommen!«
»Still!« warnte der Buckelige etwas weniger laut.
»Pshaw! Sie können es nicht hören, sind fast noch eine Meile entfernt.«
»Wo?«
»Geradeaus nach Ost. Habe durch das Rohr zwei Kerls gesehen, welche auf einem Hügel standen und herwärts schauten, ob der Häuptling zu sehen sei. Haben jedenfalls die Pferde unten stehen gehabt.«
»So paßt doppelt scharf auf, und schont die Pferde; wir brauchen sie!«
Es verging wieder einige Zeit; dann hörte man den Hufschlag nahender Tiere. Im Wellenthal, das vor dem Buckeligen lag, wurden zwei nebeneinander reitende Männer sichtbar; sie waren sehr gut bewaffnet und beritten und hielten die Augen scharf auf die Fährte des Häuptlings, welcher sie folgten, gerichtet. Gleich hinter ihnen erschienen noch zwei und dann noch einer; es waren also fünf Verfolger. Als sie die Mitte des Wellenthales erreicht hatten, und sich also zwischen den vier Versteckten befanden, rief Bill ihnen zu: »Stop, Mesch’schurs! Keinen Schritt weiter, oder ihr hört meine Büchse reden!«
Sie hielten überrascht an und schauten nach oben, ohne aber jemand zu erblicken, da der Buckelige im tiefen Grase lag. Doch gehorchten sie seinem Befehle, und der Vorderste antwortete. »Alle Teufel! Was gibt es denn hier für einen heimlichen Wegelagerer? Zeigt Euch uns doch, und sagt, welches Recht Ihr habt, uns anzuhalten!«
»Das Recht eines jeden Jägers, welchem Fremde begegnen.«
»Wir sind auch Jäger. Seid Ihr ein ehrlicher Kerl, so laßt Euch sehen!«
Die fünf Tramps hatten ihre Gewehre zur Hand genommen, sie sahen keineswegs friedlich aus, dennoch antwortete der Kleine: »Ich bin ein ehrlicher Mann und kann mich wohl sehen lassen. Da habt ihr mich!«
Er sprang auf, so daß sie seine ganze Gestalt sehen konnten, hielt aber sein Auge so scharf auf sie gerichtet, daß ihm nicht die geringste ihrer Bewegungen entgehen konnte.
»Zounds!« rief einer von ihnen. »Irre ich mich nicht, so ist das der Humply-Bill!«
»So werde ich allerdings genannt.«
»Dann ist auch der Gunstick-Uncle in der Nähe; denn diese beiden trennen sich nie!«
»Kennt Ihr uns denn?«
»Will’s meinen; habe von früher her ein Wort mit Euch zu reden!«
»Ich kenne Euch aber nicht!«
»Möglich, denn Ihr habt mich bloß von weitem gesehen. Boys, dieser Kerl ist uns im Wege; ich glaube gar, er hat mit dem Roten gemeinschaftliche Sache gemacht. Holen wir ihn von da oben herunter!«
Er zielte auf den Kleinen und drückte ab. Bill sank blitzschnell, wie von der Kugel getroffen, in das Gras nieder.
»Heigh-day, das war fein gezielt!« rief der Mann. »Nun ist nur noch der Gun– – –«
Er konnte den Satz nicht vollenden. Bill hatte sich freiwillig niedergeworfen, um nicht getroffen zu werden; jetzt blitzte es rasch hintereinander aus seinen beiden Läufen auf, und keine Sekunde später krachten auch die Gewehre der drei andern. Die fünf Tramps stürzten von ihren Pferden, und die vier Sieger kamen von den Hügeln in das Thal herab, um die fünf Pferde an der Flucht zu hindern. Die Tramps wurden untersucht.
»Nicht schlecht gemacht,« meinte Bill. »Kein einziger Fehlschuß. Der Tod ist augenblicklich eingetreten.«
Der Osagenhäuptling betrachtete die beiden Männer, nach deren Stirnen er gezielt hatte. Er sah die kleinen Kugellöcher hart über den Nasenwurzeln und wendete sich an den Lord. »Das Gewehr meines Bruders ist von sehr kleinem Kaliber, aber es ist eine ausgezeichnete Gun, auf welche man sich verlassen kann.«
»Will es meinen,« nickte der Englishman. »Habe beide Gewehre extra für die Prairie bestellt.«
»Mein Bruder mag mir dieses hier verkaufen. Ich gebe ihm hundert Biberfelle dafür.«
»Es ist mir nicht feil.«
»So gebe ich ihm hundertfünfzig!«
»Auch dann nicht!«
»Auch nicht für zweihundert?«
»Nein, und wenn diese Biberfelle zehnmal so groß wie Elefantenhäute wären.«
»So biete ich ihm den höchsten Preis, den es geben kann; ich tausche diese Gun gegen das beste Reitpferd der Osagen ein!«
Es war seinem Gesichte anzusehen, daß er glaubte, ein noch nie dagewesenes Gebot gemacht zu haben, doch der Lord schüttelte den Kopf und antwortete: »Lord Castlepool tauscht und verkauft nie. Was wollte ich mit dem Pferde thun, da das meinige wenigstens ebenso vortrefflich ist wie dasjenige, von welchem du sprichst.«
»Kein Pferd der Savanne kommt über das meinige. Aber da ich meinen weißen Bruder nicht zwingen kann, mir sein Gewehr zu verkaufen, so
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