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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein sehr um- und vorsichtiger Mann war, und da der Vater Jaguar keine Einwendung machte, so ritten die Männer eine kleine Strecke zurück und stiegen dann ab, um ihre Pferde an die den Waldesrand bildenden Bäume und Sträucher zu binden. Während dies geschah, hörte man die zwar leise, aber doch allen vernehmliche Stimme des Indianerknaben:
    »Still, Señores! Ich höre etwas.«
    Keiner bewegte sich. Der Inka lag auf der Erde, das Ohr fest auf dieselbe gelegt.
    »Es kommen Reiter,« meldete er. »Sorgen Sie dafür, daß unsre Pferde nicht schnauben!«
    jeder trat zu seinem Tiere, um demselben die Nüstern mit der Hand zu bedecken. Ja, es kamen Reiter. Zunächst hörte man den im Grase dumpf klingenden Hufschlag ihrer Pferde; sodann vernahm man auch die Stimmen derer von ihnen, welche miteinander sprachen. Sie kamen von rechts, vom Flusse her und ritten dem Walde entgegen.
    »Wirst du uns auch richtig führen, Brazo valiente?« hörte man jemand fragen. »Es ist kein Vergnügen, des Nachts eine schmale Lücke des Waldes zu suchen.«
    »Das war Antonio Perillo,« flüsterte der Vater Jaguar seinem Geronimo zu. »Ich kenne seine Stimme.«
    »Ich kenne jeden Pferdeschritt in dieser Gegend,« antwortete ein zweiter in gebrochenem, aber deutlichem Spanisch. »Wir sind genau in der Richtung. Eine hohe Laurelia steht da, wo der Wald sich trennt. Wir müssen sie sofort sehen.«
    jetzt waren die Reiter so nahe, daß sie, obgleich es ziemlich finster war, den Wald erkennen konnten.
    »Da ist das Holz,« rief die zweite Stimme, »und da ist die Laurelia. Sie sehen, daß ich die Richtung gerade wie eine Schnur genommen habe. Einige Schritte nach rechts, und wir werden auf den Einschnitt treffen.«
    Sie lenkten nach der angedeuteten Richtung und waren dann nicht mehr zu sehen und zu hören.
    »Wie gut, daß wir nicht dort bei der Laurelia halten geblieben sind!« sagte Geronimo. »Sie hätten uns ertappt. Was thun wir jetzt?«
    »Warten!« antwortete der Vater Jaguar. »Wir können nicht eher handeln, als bis der eine Trupp zu dem andern gestoßen ist und sie sich alle gelagert haben. Kanntest du die zweite Stimme, welche wir hörten?«
    »Es war mir freilich so, als ob ich sie schon einmal vernommen hätte, aber ich weiß nicht, wo und von wem.«
    »So will ich es dir sagen. Der, welcher Antonio Perillo antwortete und den Weg so genau kannte, war EI Brazo valiente, der ›tapfere Arm‹, der Häuptling der Abipones.«
    »Caramba! Das ist wahr; jetzt besinne ich mich. Es war der ›tapfere Arm‹. Wir haben doch schon einige Male mit ihm gesprochen. Also er ist es, der die Deutschen gefangen genommen hat! Er gibt sie nicht freiwillig heraus.«
    »Nein. Früher waren wir mit ihm befreundet; da hätte er sie mir zuliebe losgelassen; jetzt aber wird es ihm nicht einfallen, dies zu thun.«
    »So zwingen wir ihn!«
    »Zunächst nicht zwingen, keine Gewalt anwenden. Wozu Blut vergießen, wenn uns die List viel leichter, viel sicherer und ohne alle Verluste zum Ziele zu führen vermag.«
    »Ah! Also wieder eins deiner Kunststücke?« lachte Geronimo fröhlich auf.
    »Ja. Du thust doch mit?«
    »Natürlich! Frage doch nicht erst! Du weißt ja, wie gern ich dabei bin. Du meinst also, daß wir sie herausholen werden?«
    »Wir werden wenigstens den Versuch machen. Es kommt ganz auf die Örtlichkeit an und auf die Art und Weise, wie sie lagern.«
    »Und wenn es uns gelingt? Was dann?«
    »Dann reiten wir ruhig weiter.«
    »So! Denkst du nicht an das Pronunciamiento, an die Revolution, welche sie planen?«
    »Die geht uns eigentlich nichts an.«
    »O doch! Wir sind gute und treue Unterthanen unsres Präsidenten. Wollen wir ruhig zusehen, daß er abgesetzt, vielleicht gar getötet wird?«
    »Dazu kann es nicht kommen. Ich weiß zwar nicht, wer an der Spitze dieser Meuterer steht, keinesfalls aber ist es ein Bursche, der es mit Mitre aufzunehmen vermag.«
    »Möglich, sogar sehr wahrscheinlich; aber selbst den Fall gesetzt, daß die Empörung niedergedrückt wird, so steht es doch fest, daß sie vielen, vielen Menschen das Leben und das Eigentum kosten wird. Haben wir das dann nicht auf unsrem Gewissen?«
    »Hm!« brummte der Vater Jaguar, welcher ganz der Meinung seines Gefährten war, diesen aber ein wenig warm werden lassen wollte. »Sollen wir, um andre zu retten, uns selbst in Gefahr begeben?«
    »Natürlich! Das versteht sich ganz von selbst! Das ist unsre Pflicht und Schuldigkeit! Ich begreife dich nicht. Du fürchtest dich doch sonst

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