Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
Prolog
Lexington, Kentucky
»Hi, hier ist Manda«, flüsterte die Stimme. »Hat er angerufen?«
»Nein … warte mal.« Ashley Mason schlich zu ihrer Zimmertür und schob sie leise zu. Dann tapste sie zum Bett zurück und hockte sich auf die Kante. »Er hat mir eben eine Nachricht geschickt. Ich treffe ihn morgen Abend.«
»O mein Gott! Wo?«
»Im Night Owl. Er sagt, er kennt einen Typen, der uns reinlässt.«
»Und? Bist du aufgeregt?«
»Und wie! Ich kann noch gar nicht fassen, dass ich tatsächlich mit dem Quarterback von der Nelson verabredet bin.«
»Und was willst du deiner Mom erzählen?«
»Was wir besprochen haben … dass ich bei dir bin und wir zusammen lernen. Ihr ist das doch sowieso egal, weil sie mal wieder länger arbeiten muss.«
»Was ziehst du an?«
»Den grünen Rock und das Top, das ich mir letzten Sonnabend gekauft habe.«
»Denkst du, er nimmt dir das ab mit dem Alter?«
»Klar. Dauernd sagen alle, dass ich älter aussehe.«
»Ja, schon, aber du hast ihm gesagt, dass du sechzehn bist. Dabei wirst du im Dezember erst vierzehn.«
»Das merkt er nicht. Er …«
»Mist, Ashley, ich muss Schluss machen. Mein Dad kommt gerade rauf.«
»Okay, wir sehen uns morgen in der Schule.«
Ashley klappte ihr Handy zu und ließ sich zurück aufs Bett fallen. In ihrem Bauch kribbelte es vor Aufregung. Sie hatte ein Date mit einem Elftklässler, aber nicht mit irgendeinem, sondern mit dem Star-Quarterback der Nelson Highschool. Jeder kannte ihn. Und er wollte mit ihr ausgehen!
Sie hatte ihn rein zufällig entdeckt. Vor ein paar Wochen hatte sie sich aus lauter Langeweile in einen Teenager-Chatroom eingeklickt und angefangen, mit QB 1201 zu chatten. Nach ein paar Minuten hatte sie ihn gefragt, was sein Kürzel heißen sollte, und da hatte er ihr verraten, dass er der Quarterback von der Nelson High war. Ashley hatte total cool getan, obwohl sie es superaufregend fand, mit einem der beliebtesten Jungen der Stadt zu chatten.
Über Ryan Davidson stand jede Woche etwas in der Zeitung, wenn er am Freitagabend auf dem Spielfeld mal wieder irgendwas Irres gebracht hatte. Ashley hatte ihn schon oft auf Fotos gesehen: Er war groß, hatte blonde Locken und Grübchen. Letztes Wochenende hatte sie die Zeitung, die ihre Mom in den Müll geworfen hatte, wieder herausgeholt und sein Bild ausgeschnitten. Das war der Anfang eines Albums, das sie ausschließlich Ryan widmen wollte.
Jeden Abend, wenn ihre Mom im Bett war, ging Ashley ins Internet und chattete stundenlang mit ihm. Letzte Nacht, als er vorschlug, dass sie sich mal treffen könnten, hatte sie sich vor lauter Panik schnell abgemeldet. Heute Abend war sie gerade online gewesen, als er sie fragte, ob sie sauer war.
Dies war vielleicht ihre einzige Chance, ein Date mit einem Supertypen wie Ryan Davidson zu kriegen. Also hatte sie sich mit ihm verabredet. Sicher konnte sie sich so schminken, dass sie wie sechzehn aussah. Denn was sie zu Manda gesagt hatte, stimmte: Alle bestätigten ihr immer wieder, dass sie viel älter als dreizehn wirkte. Und Ryan musste sie sowieso nicht mehr überzeugen. Letzte Woche hatte sie ihm ein Foto gemailt, das ein paar Monate alt war, und danach hatte er ihr gesagt, wie toll sie aussähe, aber kein Wort über ihr Alter geschrieben. Nein, das klappte schon.
Mit einem wohligen Seufzen schloss Ashley die Augen und stellte sich Ryans Lächeln vor, wenn sie sich trafen. Was erst die anderen in der Schule sagen würden! Sie wären bestimmt das ganze Jahr über Gesprächsthema Nummer eins.
Das Kribbeln breitete sich angenehm warm in ihrem Innern aus. Morgen würde sie ihren Traummann treffen.
1
Birmingham, Alabama
»Ich habe den Mann gefunden, den ich heiraten will.«
Die Ankündigung rief gemischte Reaktionen bei den drei Frauen hervor, die mit Samara Lyons am Tisch saßen. Rachel verdrehte bloß die Augen, Allie ignorierte die Bemerkung ganz, weil der süße Typ an der Bar gerade zu ihr herübersah, aber Julie, das neueste Mitglied ihres donners täglichen Margarita-Clubs, lehnte sich interessiert zu ihr.
»Wo hast du ihn denn kennengelernt? Wie heißt er? Wart ihr schon öfter …«
»Warte mal … stopp«, unterbrach Rachel sie und hob die Hand, um die Bedienung heranzurufen. »Bestellen wir noch eine Runde, ehe Samara dir alles erzählt. Und als diplomierte Psychologin darfst du uns dann auch gleich verraten, wie diese Geisteskrankheit heißt.«
Samara streckte Rachel, die schon seit der ersten Klasse ihre beste
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