Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Rate gegangen und habe den Weg entdeckt, der uns ins Freie führen wird.«
»So bin ich sehr neugierig, ihn kennen zu lernen,« meinte Sam.
»Das gloobe ich dir offs Wort. Du hättest ihn jedenfalls nich gefunden!«
»Laß nur erst hören, ob dein Weg kein Irrweg ist.«
»Du, ich will dir ‘mal was sagen: Wo du nich bist, Herr Organist, da schweigen alle Flöten. Ich bin der Herr Organist und du bist die Flöte, welche zu schweigen hat! Mein Weg is der richtige, wie ihr gleich erkennen werdet. Ihr habt an der Mauer herumgepocht und an der Decke herumgeschtochen, ohne ein richtiges Facit destillata zu finden; eure Messer konnten nich in die Schteene dringen. Ich aber mach eene Wette mit, daß es hier Löcher gibt, in denen wir die Hebel der Befreiung ansetzen müssen, wenn wir die Fesseln der Gefangenschaft in die Luft mundieren wollen.«
»Löcher? Wo denn?«
»Wo? Ja, das müssen wir erst suchen.«
»So sind wir grad so klug, wie vorher, als wir suchten und nichts fanden!«
»Schweig schtille! Wäre dieses Suchen unter meiner geographischen Oberleitung vor sich gegangen, so hättet ihr den Kasus Belladonna sofort gefunden. Eure Oogen sind mit Blindheet geschlagen und alle eure Nasen nich drei Pfennige wert. Der Deckel da oben is zu, und außer ihm scheint es keene Oeffnung zu geben. Wenn das wahr wäre, so müßte man hier erschticken, weil die Lebensluft infolge unsers konservierten Sauerschtoffes alle würde. Wenigstens würde es hier moderig und müffig riechen. Nu seht euch aber ‘mal die Lampe an, wie schön sie brennt, und schtrengt dazu die Riechorgane an, ob ooch nur eene Schpur von schlechter Luft vorhanden is! Ich bin überzeugt, daß die Luft immer wieder erneuert wird, was der Gelehrte mit Vehikulation bezeichnet. Diese Vehikulation habe ich sehr genau schtudiert, als ich meine Villa ›Bärenfett‹ bauen ließ. Sie findet schtets in der Weise schtatt, daß unten die frische Luft eintritt und die schlechte oben entweicht. Es müssen also unten und oben Löcher sein, hier ebenso wie in meiner Villa an der Elbe. Es gibt eenen immerwährenden Luftzug hier, den wir entdecken müssen. Und wißt ihr denn, wie man diese Entdeckung am besten improfitieren kann?«
»Mit dem Lichte, meinst du wohl?« fragte Sam.
»Ja, mit der Lampe. Siehste, daß es bei dir Zeiten gibt, wo du nich ganz off den Kopp gefallen bist! Nehmt also ‘mal die Lampe und haltet sie unten am Fußboden längs der Mauer hin; da werdet ihr die Schtellen finden, wo die Luft von außen hereinkommt. Und wenn ihr nachher die Decke ebenso untersucht, entdeckt ihr ganz gewiß die Panamakanäle, durch welche die schlechte Atmosphäre in das draußen befindliche Weltall schteigt.«
»Du, Frank, dieser Gedanke ist wirklich nicht übel!« rief Sam Hawkens. »Deine Beobachtung ist ganz richtig; wir haben hier eine vollständig reine Luft; es muß also eine Art von Ventilation vorhanden sein. Wir werden suchen.«
»Na, siehste also, alte Flöte, daß der Organist seine Sache verschteht! Wenn ich nich wäre, so – – – horch!«
Er hielt in seiner Rede inne, und die andern lauschten auch nach oben, wo jetzt ein Geräusch vernommen wurde. Das Wetter war vorüber; es donnerte nicht mehr und so hörte man ziemlich deutlich, was auf dem platten Dache geschah: es wurden schwere Steine weggewälzt, und dann öffnete man den Deckel, aber nur um eine schmale Lücke. Dann ließ sich die Stimme des Häuptlings vernehmen:
»Die weißen Männer mögen hören, was ich ihnen sage! Sie werden jetzt wissen, daß sie meine Gefangenen sind. Es ist Krieg zwischen uns und den Bleichgesichtern, und so sollte ich sie eigentlich töten; aber ich will gnädig sein und ihnen ihr Leben schenken, wenn sie freiwillig alles abgeben, was sie bei sich haben. Ihr Anführer mag mir antworten!«
Mit der Bezeichnung Anführer war Sam Hawkens gemeint. Dieser antwortete sofort:
»Du sollst alles haben, was du wünschest. Laß uns hinauf, so geben wir es ab!«
»Mein Bruder spricht mit der Zunge der Schlange. Wenn ich euch hinaufließe, so würdet ihr nichts geben, sondern euch wehren.«
»So komm herab und hol dir, was du verlangst!«
»Dann würdet ihr mich unten behalten. Die Bleichgesichter mögen zunächst ihre Waffen zusammenthun und mit den Riemen, welche ich hinabwerfe, zusammenbinden. Wir werden dann unsre Lassos hinablassen und die Bündels emporziehen. Der Anführer mag sagen, ob ihr damit einverstanden seid!«
»Wird Ka Maku, der Häuptling, sein Wort
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