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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lange dauern. Wartet nur einen Augenblick und haltet den Kopf still, sonst schneide ich Euch die Ohren mit herunter!«
    Er trennte ihm, der sich nun nicht zu wehren vermochte, auch wenn er es gewollt hätte, mit zwei, drei raschen Messerschnitten den Kragen vom Rocke.
    »Sir, was thut Ihr da hinter mir?« fuhr Rollins auf. »Ich glaube gar, Ihr schneidet da an mir herum!«
    »Ja, das thue ich allerdings,« lachte der Oelprinz; »aber es geht Euch nicht an das Leben, sondern nur einstweilen an den Kragen.«
    Er trat vor ihn hin und hielt ihm den abgeschnittenen Teil des Rockes vor das Gesicht.
    »Mein – – mein – – mein Kragen!« schrie der Bankier auf, indem ihm alles Blut aus dem Gesichte wich.
    »Kragen? O nein! Ihr haltet das für einen Rockkragen? Das ist ein großer Irrtum von Euch. Ich sage Euch, daß ich hier eine ganz neumodische Tasche für Wertpapiere in meinen Händen halte.«
    »Tasche – – Wertpapiere – – –« stammelte der Getäuschte. »Was – was – – was meint Ihr damit?«
    »Werde es Euch augenblicklich zeigen.«
    Er griff zwischen das Futter des Kragens, zog ein Papier hervor, faltete es auseinander, warf einen Blick darauf, hielt es dann dem Bankier vor das Gesicht und fuhr in triumphierendem Tone fort:
    »Hier ist der Inhalt dieser prächtigen Tasche. Hoffentlich kennt Ihr das Papier. Es sollte für Euch ein Andenken sein, aber ich denke, daß ich es weit besser in Ehren zu halten verstehe als Ihr. So eine Schrift steckt man doch nicht in den Rockkragen, sondern man schafft sie hinunter nach Frisco, um sie dort mit gutem, klingendem Golde zu vertauschen.«
    »Ihr seid ein Schurke, ein Räuber, ein – ein – ein – –«
    Die Wut erstickte seine Stimme, so daß er kein Wort weiter hervorbrachte. Seine Lippen färbten sich blau und seine Augen wollten aus ihren Höhlen treten. Er wollte sich von dem Baume losreißen; dabei schnitt ihm aber der Riemen so in das Fleisch, daß er einen gellenden Schmerzensschrei ausstieß.
    »Seid still; beruhigt Euch!« hohnlachte der Oelprinz. »Ich nehme mir nur zurück, was man mir unrechtmäßigerweise vorenthalten hat. Ihr seid überlistet, Sir. Gebt Euch keine Mühe, ohne Hilfe vom Baume loszukommen; Ihr verursacht Euch dadurch nur Schmerzen.«
    Rollins konnte nur mit einem ohnmächtigen Zähneknirschen antworten. Der Kantor war bis jetzt ein stiller Zeuge des Vorganges gewesen; jetzt hielt er es für geraten, sich ins Mittel zu legen. Er sagte in seinem höflichsten Tone:
    »Meine verehrtesten Herren, ich muß Sie unbedingt bitten, mir zu sagen, warum Sie diesem Herrn den Kragen vom Rocke geschnitten haben!«
    »Weil er nicht an den Rock gehört,« antwortete Poller lachend.
    »Oho! Dieser Kragen ist Herrn Rollins Eigentum; er kann ihn also da tragen, wo es ihm beliebt, sogar am Rocke!«
    »Es ist ja gar kein Kragen, sondern ein Portefeuille für Wertsachen!«
    »So? Und wo pflegt man denn so ein Ding hinzustecken?«
    »In die Tasche.«
    »Gut, so stecken Sie es ihm in die Rocktasche.«
    »Diesen Gefallen will ich Ihnen sehr gern erweisen.«
    Er nahm dem Oelprinzen den ausgeplünderten Kragen aus der Hand und schob ihn dem Bankier in die erwähnte Tasche.
    »Auch das Papier mit!« befahl der Kantor.
    »Nein, das werde ich freilich nicht thun. Dieses Papier gehört Mr. Grinley; er wird es also behalten.«
    »Es gehört ihm nicht. Sie haben mir ja vorhin gesagt, daß Sie es bei den Navajos freiwillig herausgegeben haben!«
    »Ja. Und nun nehmen wir es ebenso freiwillig wieder.«
    »Da sind Sie doch Spitzbuben!«
    »Ja, das sind wir allerdings, Herr Kantor.«
    »Bitte, Herr Kantor emeritus. Es ist das eine ganz notwendige Bezeichnung, auf welcher ich bestehen muß. Sie wollen das Papier also wirklich entwenden?«
    »Ja.«
    »Dann sind Sie gar nicht wert, daß ein Jünger der Kunst, wie ich bin, noch ein Wort mit Ihnen spricht. Machen Sie also, daß Sie fortkommen!«
    »Diesen Wunsch werden wir Ihnen sogleich erfüllen, mein lieber Herr Kantor emeritus. «
    »So ist’s recht! Man muß die Leute nur immer auf die richtige Ausdrucksweise aufmerksam machen, dann merken sie sich’s endlich doch einmal.«
    »Das ist wahr, und ich will nur wünschen, daß Sie für die beiden Gnadenarien und das Duett, welches Sie komponieren wollen, die richtige Ausdrucksweise ebenso finden mögen.«
    »O, was das betrifft, so ist das über allem Zweifel erhaben.«
    »So sind wir alle außer dem Bankier zufriedengestellt. Leben Sie wohl!«
    »Leben Sie wohl,

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