Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
sondern Uhland geheeßen und außer andern schönen Sachen ooch den berühmten Löwenritt von Freiligrath gedichtet. Haben Sie das begriffen?«
Der Kantor sah den Kleinen erstaunt an; er öffnete den Mund, um zu antworten, brachte ihn aber nicht wieder zu.
»Ja, sehn Sie, da schperren Sie den Mund auf über meine Gelehrsamkeet! Machen Sie ihn nur wieder zu und schweigen Sie! Es scheint gar, nach Ihrem Gesichte zu urteelen, als ob Sie mir widerschprechen wollten. Das lassen Sie aber ja bleiben, denn Widerschpruch vertrage ich partuhmang nich. Reden wir also von was andrem! Sie wollten, wie es scheint, gern eener Schlacht beiwohnen?«
Der Kantor hätte sich gern noch weiter über Roland, Iffland und Uhland mit ihm gestritten; aber er wollte Frank bei guter Laune erhalten; darum ließ er dieses Thema fallen und antwortete:
»Ja, ich möchte einen wirklichen, blutigen Kampf erleben.«
»Warum denn das? So etwas is gefährlich und man soll es sich also gar nich wünschen.«
»Aber ich brauche es für meine Oper. Es versteht sich doch ganz von selbst, daß es in einer Heldenoper nicht ohne Kampf abgehen kann!«
»Das is doch nur off der Bühne, und Sie brauchen sich doch nich derohalben eenen wirklichen Kampf, een wirkliches Blutvergießen zu wünschen.«
»O doch! Wenn man so etwas wirklich gesehen und miterlebt hat, kann man es viel besser komponieren. Das Getöse des Kampfes, das Schreien und Heulen, das Knattern der Gewehre, das Krachen der Schüsse, das alles läßt sich nur dann richtig durch Töne wiedergeben, wenn man es selbst gehört hat.«
»Aber es kann Ihnen Ihr Leben kosten und dann is ooch Ihre ganze schöne Oper futsch!«
»Glauben Sie das ja nicht! Wir Komponisten stehen unter dem ganz besondern Schutze der Musen; uns kann nichts passieren. Oder haben Sie einmal gehört, daß ein berühmter Komponist von den Indianern erstochen oder erschossen worden sei?«
»Nee, das nich.«
»Also! Ich befinde mich nicht in der geringsten Gefahr, wenn sich mein Wunsch erfüllt; darauf können Sie sich verlassen. Denken Sie, daß es heute zu einem Kampfe kommen wird?«
»Hm! Wenn alles so klappt, wie Old Shatterhand und Winnetou beschprochen haben, so loofen uns die Feinde in die Hände, ohne daß een Schuß dabei zu fallen braucht. Wenn es aber andersch wird, da freilich kann es sehr schlimm ausfallen.«
»Wie denn anders?«
»Ja, da können verschiedene Fälle eintreten. Man weeß ja im voraus nie, was alles geschehen kann. So zum Beischpiel brauchen die Nijoras nur zu merken, daß die Navajos in dem Hinterhalte liegen, so geht der Krawall los.«
»Wie sollten sie das merken?«
»Off irgend eene Weise. Een Dummer fragt doch immer mehr, als was een Gescheiter beantworten kann! Ich sage ja, daß man vorher nicht wissen kann, was geschieht. So darf zum Beischpiel Ihr Pferd, wenn wir an die Furt kommen, es sich nur in den Kopf setzen, nach links anstatt nach rechts zu loofen, so is schon alles verraten.«
Der Hobble-Frank hatte es halb ironisch und halb scherzhaft gemeint; aber über das Gesicht des Kantors ging ein Zug hoher Befriedigung und er fragte:
»Also nach links anstatt nach rechts? Habe ich das richtig verstanden? Ja?«
Er nickte vergnügt vor sich hin, und der Hobble ahnte nicht, auf was für einen gefährlichen Gedanken er den kampfbegierigen Kantor gebracht hatte. Dieser war nämlich entschlossen, dem ihm so unabsichtlich erteilten Winke zu folgen und in der Furt nach links abzubiegen. Er dachte zwar ein wenig an die Verantwortlichkeit, die er dadurch auf sich lud, doch mehr noch an die Vorteile, die er in künstlerischer Beziehung aus einem Kampfe ziehen zu können glaubte. Dabei sagte er sich bei aller Unvorsichtigkeit, daß ihm die denkbar größten Vorwürfe gemacht werden würden, und da kam er auf den Gedanken, es so einzurichten, daß sie ihn nicht allein treffen könnten. Er mußte einen Mitschuldigen oder eine Mitschuldige haben und ersah sich dazu Frau Rosalie aus, weil er hoffte, daß diese energische Frau sich und ihn schon herausbeißen werde. Darum lenkte er während des Rittes sein Pferd neben das ihrige und sagte:
»Haben Sie keine Angst vor dem, was nun bald geschehen wird, Frau Ebersbach?«
»Angst?« antwortete sie. »Vor wem sollte ich denn Angst haben?«
»Vor den Nijoras.«
»I, was Sie nich denken! Ich habe mein Lebtage vor keener Mannsperson Angst gehabt, und vor diesen roten Affen, da fällt es mir erscht recht nich ein.«
»Aber es wird höchst wahrscheinlich
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