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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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drohte, denn nach seinem Glauben kann die Seele eines Menschen, der durch Hinrichtung stirbt, nicht in die ewigen Jagdgründe gelangen. Dieser Gedanke flößte ihm eine Angst ein, welche er nicht zu überwinden vermochte. Dabei wallte in ihm ein Zorn empor, ein Haß gegen Winnetou und Old Shatterhand, der ihm den heißen Wunsch eingab, leben zu bleiben, um sich an diesen beiden Menschen rächen, aber ganz fürchterlich, ganz entsetzlich rächen zu können. Und dieser Haß, dieser Wunsch war es, welcher ihn veranlaßte, seinen Stolz zu überwinden und etwas zu thun, was er sonst auf keinen Fall gethan hätte. Er hob langsam den Kopf und fragte mit unsicherer Stimme:
    »Was versteht Old Shatterhand unter Gnade?«
    »Die Erteilung einer milderen oder gar den Erlaß der ganzen Strafe.«
    »Würdet ihr uns die Strafe ganz erlassen?«
    »Nein; das ist unmöglich.«
    »Aber das Leben könnten wir erhalten?«
    »Vielleicht. Winnetou und ich, wir trachten nicht nach eurem Leben. Wir sind Freunde aller weißen und aller roten Männer und vergießen nur dann das Blut eines Menschen, wenn er selbst uns zwingt, dies zu thun.«
    »So würdet ihr uns das Leben schenken?«
    »Ja.«
    »Uff! Wenn ihr das thut, die ihr die größten, die berühmtesten unter diesen Bleichgesichtern seid, so werden die andern eurem Beispiele folgen müssen!«
    »Müssen? Davon kann keine Rede sein. Die andern Bleichgesichter sind freie Männer, grad wie wir; sie kennen die Gesetze, nach denen im wilden Westen gerichtet wird, und wir haben ihnen nichts zu befehlen.«
    »Du hieltest es aber doch für eine Möglichkeit, daß auch sie unser Leben schonen!«
    »Allerdings, Winnetou und ich, wir werden uns Mühe geben, sie dazu zu bewegen. Es wird nicht leicht sein, ihre Rache in Nachsicht zu verwandeln; aber wir hoffen doch, es zu erreichen, wenn du das Deinige nicht versäumst, ihren Zorn zu besänftigen.«
    »Was sollen wir thun?«
    »Euch ergeben.«
    »Ergeben?« fuhr er auf. »Bist du toll!«
    »Ist es toll von mir, wenn ich euch retten will? Gut! Ich pflege keine Tollheiten zu begehen; schweigen wir also davon! Ich habe dich hierher geführt, um dir zu beweisen, daß euer Widerstand uns keinen Tropfen Blutes kosten wird, euch aber augenblicklich ins Verderben führt. Diesen Zweck habe ich erreicht. Wenn ich das Zeichen gebe, gehen alle unsre Gewehre los; wir werden euch die Skalpe nehmen, und eure Seelen werden dann in den ewigen Jagdgründen verurteilt sein, als verächtliche Diener und Sklaven unsern Geistern um die Füße zu kriechen. Du hast es nicht anders gewollt. Komm!«
    »Wo willst du hin?«
    »Wieder hinab.«
    »Und was wird dann geschehen?«
    »Du wirst, sobald wir hinunterkommen, an einem Baume aufgehängt, und dann geben wir das Zeichen, auf welches der Tod aller deiner Krieger folgt. Also komm!«
    Er faßte ihn am Arme, scheinbar um ihn mit sich fortzuziehen; aber Tokvi-Kava riß sich los, wich einen Schritt zurück und fragte, indem seine dunkeln Augen förmlich aufglühten:
    »Du kannst uns nur dadurch retten, daß wir uns er geben?«
    »Ja.«
    »Wir dürfen leben bleiben?«
    »Ich hoffe es.«
    »Und zu unserm Stamm zurückkehren?«
    »Wenn euch das Leben geschenkt wird, ja. Du glaubst doch nicht, daß man Lust haben wird, euch hier zu behalten.«
    »Und wenn wir frei fortziehen dürfen, fürchtest du da nicht unsre Rache?«
    » Pshaw! Wer wird sich vor euch fürchten! Du sprichst von Rache? Wenn wir euch das Leben retten, seid ihr uns da nicht vielmehr Dankbarkeit statt Rache schuldig?«
    »Rette uns; dann wirst du sehen, was wir thun!«
    »So entschließe dich schnell! Ich gebe dir nur so viel Zeit, wie wir Weißen fünf Minuten nennen; dann muß es entschieden sein.«
    »Brauche die Zeit nicht, denn ich sage gleich jetzt, daß wir uns ergeben werden. Wie forderst du, daß wir das thun sollen?«
    »Siehst du, daß man da rechts am Felsen heraufsteigen kann?«
    »Ja.«
    »Der Pfad ist so schmal, daß nicht zwei nebeneinander kommen können. Sag deinen Kriegern, daß einer nach dem andern hier heraufkommen soll, doch ohne Waffen. Sie werden natürlich alle zunächst gefesselt werden, bis wir über sie beraten haben. Dann soll –«
    »Gefesselt?« unterbrach ihn der Häuptling, zornig auffahrend.
    »Ja. Wenn dir das nicht paßt, so mögen sie sterben. Du bist ja auch gefesselt!«
    »Uff! Old Shatterhand ist ein schrecklicher Mensch. Er spricht so sanft und ruhig, aber sein Wille ist ein Stein, der nicht erweicht und sich nicht biegen

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