Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
seiner Lagerplätze nur zu Pferde sieht, stets bloß mit Verachtung bedient. Wer nicht reiten kann, sondern laufen muß, der steht tief, sehr tief unter dem Punkte, bei welchem seiner Ansicht nach erst der Mensch beginnt. Und nun waren sie selbst dazu verurteilt, sich der Füße zu bedienen, wozu man sie doch erhalten hatte, nämlich zum Gehen. Ik Senanda war der einzige von ihnen, welcher ein Pferd besaß, aber auch er ritt nicht, und das hatte einen guten Grund. Er hatte bei den Naiini den stolpernden Schimmel gegen ein besseres Tier umgetauscht, doch war dieses jetzt durch den schnellen Ritt ermüdet und mußte für später geschont werden, weil man kein andres hatte, wenn es einen wichtigen und anstrengenden Reiterdienst galt.
Es war am Nachmittage, als der Zug über eine grasige Ebene marschierte, wo die Komantschen auf eine Fährte trafen, welche auf eine nicht geringe Anzahl von Reitern schließen ließ; es mußten gewiß über zwanzig und zwar Weiße gewesen sein, weil ihre Pferde alle beschlagen waren, und ihre Richtung war dieselbe, welche auch die Roten inne hatten. Aus der Beschaffenheit der Spuren war zu ersehen, daß diese Reiter vor kaum einer Stunde hier vorübergekommen waren. Die Komantschen waren über diese Spur nicht wenig erfreut, denn sie dachten da gleich an einen Ueberfall und also an die Gelegenheit, in den Besitz von Pferden und Waffen zu kommen und machten sich also sehr eifrig an die Verfolgung derselben.
Die Spur, die erst längere Zeit parallel mit den Bergen lief, näherte sich denselben später und führte dann gegen Abend zwischen sie hinein. Als Tokvi-Kava dies bemerkte, sagte er zu seinem Enkel:
»Diese Bleichgesichter sind keine unerfahrenen Leute, denn sie wenden sich, da es bald dunkel wird, nach den Höhen, um nicht auf der offenen Ebene, wo ihre Feuer weit zu sehen wären, übernachten zu müssen. Es wird uns also wohl nicht sehr leicht werden, sie zu überrumpeln, zumal wir so wenig Waffen haben.«
» Pshaw! Unsre Zahl ist über dreimal so groß als die ihrige, und was nicht mit Gewalt zu machen ist, werden wir durch List erreichen.«
»List ist zu allen Zeiten und für uns jetzt noch mehr wert als sonst, viel besser als Gewalt. Unsre Krieger haben durch Hunger ihre Kräfte verloren, das mußt du bedenken. Wir müssen vor allen Dingen das Lager dieser Bleichgesichter beschleichen, ehe wir bestimmen können, was wir thun.«
Die Berge hatten Wald, welcher zahlreiches Gebüsch in die Ebene vorschob. Als die Komantschen dieses Gebüsch erreichten, suchten sie sich einen zum Lagern geeigneten Platz in demselben, und als sie einen gefunden hatten, ging der Häuptling mit Ik Senanda fort, um die Weißen aufzuspüren. Die Dämmerung brach schon herein, und so durften sie annehmen, daß sie nicht weit zu gehen haben würden.
Diese Annahme stellte sich als sehr richtig heraus, denn sie waren unter Anwendung der größten Vorsicht kaum eine Viertelstunde vorwärts geschlichen, so spürten sie den Geruch von Rauch in ihren Nasen.
»Wir sind ihnen nahe,« flüsterte der Alte seinem Enkel zu. »Nun müssen wir aber warten, bis es ganz dunkel ist.«
Als die Dämmerung in die Nacht übergegangen war, schlichen sie weiter. Sie hörten bald ein kleines Wasser murmeln, und dann leuchtete ihnen zwischen den Bäumen der Schein eines Feuers entgegen, um welches die Weißen einen Kreis gebildet hatten. In ihrer Nähe gab es einen grasigen Fleck, auf welchem sich die Pferde befanden. Dieser wurde, obgleich man sich kaum erst gelagert hatte, von zwei Männern bewacht, welche ihre Gewehre schußbereit hielten. Das war ein sicheres Zeichen, daß es die Komantschen nicht mit Neulingen oder unvorsichtigen Leuten zu thun hatten.
Für geübte Indianer war es gar nicht schwer, ganz nahe an die Weißen heranzukommen, weil die starken Baumstämme prächtige Deckung boten. Die beiden Kundschafter krochen so weit hin, wie es mit ihrer eigenen Sicherheit zu vereinbaren war, und konnten dann, jeder hinter einem Baume steckend, nicht nur die Weißen aus der Nähe deutlich sehen, sondern sogar alles hören, was gesprochen wurde.
Ein alter, verwetterter Bursche mit schneeweißem Haare und langem, hellgrauem Vollbarte schien der Anführer der Bleichgesichter zu sein; er war eine höchst charakteristische Gestalt mit scharf markierten Gesichtszügen und hatte jedenfalls schon manches Abenteuer glücklich überstanden. Seine scharfen Augen zeigten trotz seines Alters eine jugendliche Lebhaftigkeit und wenn
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