Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
wir doch finden, Majestät, denn Ihr seid nicht der Mann, ehrliche Leute an der Nase so weit hinauf in die Rocky-Mountains zu führen.«
»Nein, so ein Mensch bin ich wirklich nicht. Ich habe den Situationsplan der Mine hier in meiner Tasche: sie wird uns reich machen, sehr reich, wenn auch nicht ganz so reich, wie wir sein würden, wenn wir das Glück hätten, hier in der Sierra Moro die geradezu großartige Bonanza of Hoaka zu entdecken.«
»Habe schon oft von ihr gehört. Ein sonderbarer Name! Bonanza ist spanisch, of ist englisch und Hoaka scheint indianisch zu sein. Nicht?«
»Ja.«
»Was bedeutet dieses Wort?«
»Das kann ich nicht sagen, denn ich habe noch keinen Menschen, auch keinen Indianer, gefunden, der es wußte und es übersetzen konnte. Aber die Bonanza ist Wirklichkeit, unwiderlegliche Wirklichkeit, und es hat schon Hunderte von Gambusinos (Goldsucher) gegeben, die nach ihr gesucht haben. Einige von ihnen sind ihr so nahe gewesen, daß sie große Goldklumpen gefunden haben, aber noch keinem ist es gelungen, den eigentlichen Platz, wo solche Klumpen massenweise liegen, zu entdecken. Wir befinden uns gerade jetzt in der betreffenden Gegend, und wenn wir morgen weiterreiten, werden wir die Punkte berühren, wo die erwähnten Funde gemacht worden sind. Es ist sogar möglich, daß wir jetzt ganz nahe bei der berühmten Bonanza lagern. Denkt euch nur, wenn wir sie durch einen glücklichen Zufall fänden!«
Durch diese Worte wurden alle Anwesenden elektrisiert; sie ließen sich in den verschiedensten Interjektionen hören, und Hum meinte lustig:
»Ich werde beim Einschlafen an sie denken; vielleicht träumt mir dann von ihr, und ich zeige euch den Weg. Da könnten wir wohl auf unsre Minen droben in Colorado verzichten? Was meint ihr dazu, Mesch’schurs?«
»Natürlich könnten wir das,« antwortete Majestät. »Fände ich diese Bonanza of Hoaka, ich würde mich keinen Augenblick bedenken, den Situationsplan hier aus meiner Tasche zu verschenken. Ist es nicht geradezu unbegreiflich, daß es Menschen gibt, welche die Bonanza kennen und sie doch nicht ausbeuten?«
»Wer ist das? Gibt es welche? Ist dieses wahr?« wurde rundum gefragt.
»Ja, es ist wahr; es gibt Indianer, welche den Ort kennen, ihn aber aus Haß gegen die Weißen Geheimnis bleiben lassen; nur wenn sie einmal etwas von den Bleichgesichtern kaufen und bezahlen müssen, gehen sie hin, um sich eine Handvoll kleine Nuggets zu holen; die großen Stücke aber lassen sie liegen. Man ist gerade hier in dieser Gegend auf solche stockdumme und hirnverbrannte Menschen gestoßen. Ich sprach kürzlich in Albuquerke mit einem Pater, dem ein Roter im Estrecho de cuarzo (Quarzenge) begegnet ist. Der Indianer hatte Hunger, und der Pater gab ihm Brot und Fleisch. Da zog der Rote einen Lederbeutel aus der Tasche und gab ihm ein Stück reines Naturgold, also ein Nugget, welches wenigstens fünfzig Gramm gewogen hat, und der Beutel ist ganz voll solcher Stücke gewesen, die einen ganz immensen Wert ausmachten. Was sagt ihr dazu?«
Er bekam nur Antworten der Bewunderung zu hören, und einer, der am praktischsten dachte, erkundigte sich:
»Hat denn der Pater nicht gefragt?«
»Natürlich hat er gefragt; er erhielt aber selbstverständlich keine Auskunft, sondern nur den kurzen Bescheid: ›Ich habe es mir aus der Bonanza of Hoaka geholt, lebt wohl!‹ Mit diesen Worten hat sich der Pater abspeisen lassen und der Bursche ist darauf rasch davongegangen.«
»Da hätte der Pater ihn festhalten und zwingen sollen, zu gestehen, wo die Bonanza liegt!«
»Ein Pater, also ein Geistlicher? Das darf er nicht, das würde gegen Amt und Lehre sein!«
»Was schert mich Amt und Lehre! Wenn ich einen solchen Roten träfe, ich würde ihn erstechen, wenn er es mir nicht sagte. Ja, ich würde mir kein Gewissen daraus machen!«
»Erstechen würde ich ihn nicht sofort, denn man muß nicht gleich ein Mörder sein, und wenn er dann tot ist, kann er erst recht keine Auskunft geben. Nein, ich würde es anders machen. Es gibt viel bessere und ganz sichere Mittel, so einen verschwiegenen Indsman zum Sprechen zu bringen. Leider aber werden wir keine Gelegenheit finden, sie in Anwendung zu bringen!«
»Wo liegt denn dieser Estrecho de cuarzo? Wißt Ihr es, Majestät? Und wie heißt die Uebersetzung von diesem Namen?«
»Er ist spanisch und heißt so viel wie Enge des Quarzes, also Quarzenge, und ich kenne den Ort, denn ich will Euch aufrichtig sagen, daß ich auch zu denen
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