Sämtliche Werke
wäre, weiterwandern müßten, entweder um als Landarbeiter irgendwo unterzukommen oder vielleicht nach Kalifornien in die Goldwäscherei zu gehen, was, nach Robinsons ausführlichen Erzählungen zu schließen, sein liebster Plan war.
»Warum sind Sie denn Schlosser geworden, wenn Sie jetzt in die Goldwäscherei wollen?« fragte Karl, der ungern von der Notwendigkeit solcher weiten, unsicheren Reisen hörte.
»Warum ich Schlosser geworden bin?« sagte Robinson, »doch gewiß nicht deshalb, damit meiner Mutter Sohn dabei verhungert. In den Goldwäschereien ist ein feiner Verdienst.«
»War einmal«, sagte Delamarche.
»Ist noch immer«, sagte Robinson und erzählte von vielen dabei reich gewordenen Bekannten, die noch immer dort waren, natürlich keinen Finger mehr rührten, aus alter Freundschaft ihm aber und selbstverständlich auch seinen Kameraden zu Reichtum verhelfen würden.
»Wir werden schon in Butterford Stellen erzwingen«, sagte Delamarche und sprach damit Karl aus der Seele, aber eine zuversichtliche Ausdrucksweise war es nicht. Während des Tages machten sie nur einmal in einem Wirtshaus halt und aßen davor im Freien an einem, wie es Karl schien, eisernen Tisch fast rohes Fleisch, das man mit Messer und Gabel nicht zerschneiden, sondern nur zerreißen konnte. Das Brot hatte eine walzenartige Form, und in jedem Brotlaib steckte ein langes Messer. Zu diesem Essen wurde eine schwarze Flüssigkeit gereicht, die im Halse brannte. Delamarche und Robinson schmeckte sie aber, sie erhoben oft auf die Erfüllung verschiedener Wünsche ihre Gläser und stießen miteinander an, wobei sie ein Weilchen lang in der Höhe Glas an Glas hielten. Am Nebentisch saßen Arbeiter in kalkbespritzten Blusen, und alle tranken die gleiche Flüssigkeit. Automobile, die in Mengen vorüberfuhren, warfen Schwaden von Staub über die Tische hin. Große Zeitungsblätter wurden herumgereicht, man sprach erregt vom Streik der Bauarbeiter, der Name Mack wurde öfters genannt. Karl erkundigte sich über ihn und erfuhr, daß dies der Vater des ihm bekannten Mack und der größte Bauunternehmer von New York war. Der Streik kostete ihn Millionen und bedrohte vielleicht seine geschäftliche Stellung. Karl glaubte kein Wort von diesem Gerede schlecht unterrichteter, übelwollender Leute.
Verbittert wurde das Essen für Karl außerdem dadurch, daß es sehr fraglich war, wie das Essen gezahlt werden sollte. Das Natürliche wäre gewesen, daß jeder seinen Teil gezahlt hätte, aber Delamarche wie auch Robinson hatten gelegentlich bemerkt, daß für das letzte Nachtlager ihr letztes Geld aufgegangen war. Uhr, Ring oder sonst etwas Veräußerbares war an keinem zu sehen. Und Karl konnte ihnen doch nicht vorhalten, daß sie an dem Verkauf seiner Kleider etwas verdient hätten, das wäre doch Beleidigung und Abschied für immer gewesen. Das Erstaunliche aber war, daß weder Delamarche noch Robinson irgendwelche Sorgen wegen der Bezahlung hatten, vielmehr hatten sie gute Laune genug, möglichst oft Anknüpfungen mit der Kellnerin zu versuchen, die stolz und mit schwerem Gang zwischen den Tischen hin und her ging. Ihr Haar hing ihr von den Seiten ein wenig lose in Stirn und Wangen, und sie strich es immer wieder zurück, indem sie mit den Händen darunter hinfuhr. Schließlich, als man vielleicht das erste freundliche Wort von ihr erwartete, trat sie zum Tische, legte beide Hände auf ihn und fragte: »Wer zahlt?« Nie waren Hände rascher aufgeflogen als jetzt jene von Delamarche und Robinson, die auf Karl zeigten. Karl erschrak darüber nicht, denn er hatte es ja vorausgesehen, und sah nichts Schlimmes darin, daß die Kameraden, von denen er ja auch Vorteile erwartete, einige Kleinigkeiten von ihm bezahlen ließen, wenn es auch anständiger gewesen wäre, diese Sache vor dem entscheidenden Augenblick ausdrücklich zu besprechen. Peinlich war bloß, daß er das Geld erst aus der Geheimtasche heraufbefördern mußte. Seine ursprüngliche Absicht war es gewesen, das Geld für die letzte Not aufzuheben und sich also vorläufig mit seinen Kameraden gewissermaßen in eine Reihe zu stellen. Der Vorteil, den er durch dieses Geld und vor allem durch das Verschweigen des Besitzes gegenüber den Kameraden erlangte, wurde für diese mehr als reichlich dadurch aufgewogen, daß sie schon seit ihrer Kindheit in Amerika waren, daß sie genügende Kenntnisse und Erfahrungen für Gelderwerb hatten und daß sie schließlich an bessere Lebensverhältnisse als ihre
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