1309 - Drei Leichen bis zum Teufel
Allmählich aber merkte er, dass es doch nicht so finster in dem Hotelzimmer war. Er sah die Umrisse des Fensters, vor das er das schwarze Rollo gezogen hatte. Er wusste nicht genau, was die Uhr zeigte. Seinem Gefühl nach musste er in den frühen Morgenstunden erwacht sein, aber es war draußen noch dunkel.
Der Mann fürchtete, dass er in seinem Versteck nicht sicher war.
Dabei hatte er es sich bewusst ausgesucht. In dieser Absteige fiel kaum jemand auf. Sie waren hinter ihm her, und er hatte auch nicht mehr vor, zu lange in London zu bleiben. Er wollte wieder zurück in seine Heimat. Zwei Jahre lang war diese Stadt ein gutes Versteck für ihn gewesen, und er hatte diese Zeit auch als Vorbereitung genutzt.
Natürlich hatte er Spuren hinterlassen. Menschen oder ganze Institutionen waren durch seine Taten geschockt worden. Die wahren Hintergründe ahnte noch niemand, und darüber konnte er mehr als froh sein.
Oder doch?
Der Mann besaß nicht nur seinen Verstand, sondern auch einen bestimmten Instinkt, der für Leute in seinem Job von größter Wichtigkeit war. Ohne ihn war er verloren. Wäre er nicht vorhanden gewesen, hätte man ihn schon längst gestellt. So aber war er seinen Häschern immer wieder entkommen, falls sie ihm überhaupt auf der Spur gewesen waren. Er ging jedenfalls davon aus, und so war er bisher gut durchs Leben gekommen.
Auch jetzt hatte ihn sein Instinkt nicht verlassen. Angespannt hockte er im Bett auf der alten Matratze und lauschte in die Stille.
Da war nichts zu hören. Zumindest nichts in seinem Zimmer. Nur von draußen her hörte er die ersten Geräusche des anbrechenden Tages.
Eines wusste er mit absoluter Sicherheit. Auch wenn er keinen Menschen sah, er befand sich nicht allein im Raum. Das sagte ihm sein Gefühl. Das spürte er überdeutlich. Er erkannte es an dem Kribbeln auf der Haut.
Der andere meldete sich nicht.
Im Dunkeln verzog Silva das Gesicht. Er war nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Seine Waffe lag griffbereit unter dem Kopfkissen. Er ließ sie jedoch dort liegen. Es war besser, wenn er nichts Voreiliges tat.
Dann hörte er das Kichern.
Es hörte sich irgendwie widerlich an. Er fand auch nicht heraus, wer das Kichern abgegeben hatte. Es konnte ein Mann ebenso wie eine Frau gewesen sein. Für ihn hatte es neutral geklungen. Doch er war irgendwie froh, überhaupt etwas gehört zu haben. So wurde seine Ahnung bestätigt, nicht mehr allein im Zimmer zu sein.
Besser ging es ihm trotzdem nicht!
Wer kicherte da? Und warum hatte er sich auf diese Art und Weise bemerkbar gemacht? Warum sprach er nicht normal? Auf die Fragen wusste er keine Antworten. Sie bohrten in ihm. Er war nervös geworden. Er schwitzte an den Handflächen. Und das passierte ausgerechnet ihm, einem Killer, der sich vor nichts fürchtete.
Warum nur?
Er wunderte sich über sich selbst. Normalerweise hätte er zur Waffe gegriffen und einfach geschossen. Kurze Feuerstöße. Die Kugeln in die Dunkelheit gejagt, darauf hoffend, dass zumindest eine traf. Er war es gewohnt, sich auf diese Art und Weise aus verdammten Fallen zu befreien.
Stattdessen tat er nichts. Er blieb weiterhin im Bett sitzen und wunderte sich über ein Gefühl, das er eigentlich nicht kannte, weil er es normalerweise nur bei seinen Opfern erlebte: Furcht!
Er wunderte sich auch, dass der Unbekannte sein Zimmer hatte betreten können. Durch das Fenster war er nicht gekommen. Die Tür hatte er abgeschlossen und als Sicherung einen Stuhl unter die Klinke gestellt.
Seinen schnellen Tod hatte der Eindringling nicht gewollt. Sonst hätte er ihn schon umgebracht. Was also war sein Motiv?
Es war schon einige Zeit vergangen, bis er sich wieder gefangen hatte. Und nach einem tiefen Atemzug war er auch in der Lage, etwas zu sagen.
»He, wer bist du?« Er ärgerte sich über den Klang seiner eigenen Stimme, weil sie die Sicherheit verloren hatte, doch daran ließ sich in dieser Lage nichts ändern.
»Rate…«
Das konnte er nicht. Das wollte er auch nicht. Zudem hatte er mit dieser Antwort nicht gerechnet.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ach – wirklich nicht?«
Silva überlegte und hielt seinen Mund in den folgenden Sekunden geschlossen. Einen Vorteil spürte er sehr deutlich: seine Furcht und die Anspannung legten sich. Hätte ihn der Eindringling töten wollen, hätte er längst die Gelegenheit dazu gehabt. Dass es nicht passiert war, ließ darauf schließen, dass man etwas von ihm wollte.
Er dachte an einen neuen Job von einem
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