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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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hiesigen Verhältnisse nicht kannte, sich zu dieser Besorgung angeboten hatte. Seine Kameraden würden ihn mit vollem Rechte auszanken und gar noch denken, daß er, nur um Geld zu sparen, nichts mitgebracht hatte. Nun stand er gar in einer Gegend, wo ringsherum an den Tischen warme Fleischspeisen mit schönen, gelben Kartoffeln gegessen wurden; es war ihm unbegreiflich, wie sich die Leute das verschafft hatten.
    Da sah er ein paar Schritte vor sich eine ältere, offenbar zum Hotelpersonal gehörige Frau, die lachend mit einem Gaste redete. Dabei arbeitete sie fortwährend mit einer Haarnadel in ihrer Frisur herum. Sofort war Karl entschlossen, seine Bestellung bei dieser Frau vorzubringen, schon weil sie ihm als die einzige Frau im Saal eine Ausnahme vom allgemeinen Lärm und Jagen bedeutete und dann auch aus dem einfachen Grunde, weil sie die einzige Hotelangestellte war, die man erreichen konnte, vorausgesetzt allerdings, daß sie nicht beim ersten Wort, das er an sie richten würde, in Geschäften fortlief. Aber ganz das Gegenteil trat ein. Karl hatte sie noch gar nicht angeredet, sondern nur ein wenig belauert, als sie, wie man eben manchmal mitten im Gespräch beiseiteschaut, zu Karl hinsah und ihn, ihre Rede unterbrechend, freundlich und in einem Englisch, klar wie die Grammatik, fragte, ob er etwas suche. »Allerdings«, sagte Karl, »Ich kann hier gar nichts bekommen.«
    »Dann kommen Sie mit mir, Kleiner«, sagte sie, verabschiedete sich von ihrem Bekannten, der seinen Hut abnahm, was hier wie unglaubliche Höflichkeit erschien, faßte Karl bei der Hand, ging zum Büfett, schob einen Gast beiseite, öffnete eine Klapptüre im Pult, durchquerte den Gang hinter dem Pult, wo man sich vor den unermüdlich laufenden Kellnern in acht nehmen mußte, öffnete eine zweite Tapetentüre, und schon befanden sie sich in großen, kühlen Vorratskammern. >Man muß eben den Mechanismus kennen<, sagte sich Karl.
    »Also, was wollen Sie denn?« fragte sie und beugte sich dienstbereit zu ihm herab. Sie war sehr dick, ihr Leib schaukelte sich, aber ihr Gesicht hatte eine, natürlich im Verhältnis, fast zarte Bildung. Karl war fast versucht, im Anblick der vielen Eßwaren, die hier sorgfältig in Regalen und auf Tischen aufgerichtet lagen, für seine Bestellung rasch ein feineres Nachtessen auszudenken, besonders da er erwarten konnte, von dieser einflußreichen Frau billiger bedient zu werden, schließlich aber nannte er doch wieder, da ihm nichts Passendes einfiel, nur Speck, Brot und Bier.
    »Nichts weiter?« fragte die Frau.
    »Nein danke«, sagte Karl, »aber für drei Personen.«
    Auf die Frage der Frau nach den beiden anderen erzählte Karl in ein paar kurzen Worten von seinen Kameraden, es machte ihm Freude, ein wenig ausgefragt zu werden. »Aber das ist ja ein Essen für Sträflinge«, sagte die Frau und erwartete nun offenbar weitere Wünsche Karls. Dieser aber fürchtete nun, sie werde ihn beschenken und kein Geld annehmen wollen, und schwieg deshalb. »Das werden wir gleich zusammengestellt haben«, sagte die Frau, ging mit einer bei ihrer Dicke bewunderungswerten Beweglichkeit zu einem Tisch hin, schnitt mit einem langen, dünnen, sägeblattartigen Messer ein großes Stück mit viel Fleisch durchwachsenen Specks ab, nahm aus einem Regal einen Laib Brot, hob vom Boden drei Flaschen Bier auf und legte alles in einen leichten Strohkorb, den sie Karl reichte. Zwischendurch erklärte sie Karl, sie habe ihn deshalb hierhergeführt, weil die Eßwaren draußen auf dem Büfett im Rauch und in den vielen Ausdünstungen trotz dem schnellen Verbrauch immer die Frische verlieren. Für die Leute draußen sei aber alles gut genug. Karl sagte nun gar nichts mehr, denn er wußte nicht, wodurch er diese auszeichnende Behandlung verdiene. Er dachte an seine Kameraden, die vielleicht, so gute Kenner Amerikas sie auch waren, doch nicht bis in diese Vorratskammer gedrungen wären und sich mit den verdorbenen Eßwaren auf dem Büfett hätten begnügen müssen. Man hörte hier keinen Laut aus dem Saal, die Mauern mußten sehr dick sein, um diese Gewölbe genügend kühl zu erhalten. Karl hatte schon den Strohkorb ein Weilchen lang in der Hand, dachte aber nicht ans Zahlen und rührte sich auch nicht. Nur als die Frau noch nachträglich eine Flasche, ähnlich denen, die draußen auf den Tischen standen, in den Korb legen wollte, dankte er schaudernd.
    »Haben Sie noch einen weiten Marsch?« fragte die Frau.
    »Bis nach Butterford«,

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