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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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vertuschen.
    Aber die nächste Frage war: »Du hast also keine Ausweispapiere?« und Karl mußte antworten: »Bei mir nicht.«
    »Das ist aber schlimm«, sagte der Polizeimann, sah nachdenklich im Kreise umher und klopfte mit zwei Fingern auf den Deckel seines Buches. »Hast du irgendeinen Verdienst?« fragte der Polizeimann schließlich.
    »Ich war Liftjunge«, sagte Karl.
    »Du warst Liftjunge, bist es also nicht mehr, und wovon lebst du denn jetzt?«
    »Jetzt werde ich mir eine neue Arbeit suchen.«
    »Ja, bist du denn entlassen worden?«
    »Ja, vor einer Stunde.«
    »Plötzlich?«
    »Ja«, sagte Karl und hob wie zur Entschuldigung die Hand. Die ganze Geschichte konnte er hier nicht erzählen, und wenn es auch möglich gewesen wäre, so schien es doch ganz aussichtslos, ein drohendes Unrecht durch Erzählung eines erlittenen Unrechts abzuwehren. Und wenn er sein Recht nicht von der Güte der Oberköchin und von der Einsicht des Oberkellners erhalten hatte, von der Gesellschaft hier auf der Straße hatte er es gewiß nicht zu erwarten.
    »Und ohne Rock bist du entlassen worden?« fragte der Polizeimann.
    »Nun ja«, sagte Karl; also auch in Amerika gehörte es zur Art der Behörden, das, was sie sahen, noch eigens zu fragen. (Wie hatte sein Vater bei der Beschaffung des Reisepasses über die nutzlosen Fragereien der Behörden sich ärgern müssen!) Karl hatte große Lust wegzulaufen, sich irgendwo zu verstecken und keine Fragen mehr anhören zu müssen. Und nun stellte gar der Polizeimann jene Frage, vor der sich Karl am meisten gefürchtet und in deren unruhiger Voraussicht er sich bisher wahrscheinlich unvorsichtiger benommen hatte, als es sonst geschehen wäre.
    »In welchem Hotel warst du denn angestellt?«
    Er senkte den Kopf und antwortete nicht, auf diese Frage wollte er unbedingt nicht antworten. Es durfte nicht geschehen, daß er, von einem Polizeimann eskortiert, wieder ins Hotel Occidental zurückkäme, daß dort Verhöre stattfanden, zu denen seine Freunde und Feinde beigezogen würden, daß die Oberköchin ihre schon sehr schwach gewordene gute Meinung über Karl gänzlich aufgab, da sie ihn, den sie in der Pension Brenner vermutete, von einem Polizeimann aufgegriffen, in Hemdärmeln, ohne ihre Visitenkarte, zurückgekehrt fand, während der Oberkellner vielleicht nur voll Verständnis nicken und der Oberportier dagegen von der Hand Gottes sprechen würde, die den Lumpen endlich gefunden habe.
    »Er war im Hotel Occidental angestellt«, sagte Delamarche und trat an die Seite des Polizeimannes.
    »Nein«, rief Karl und stampfte mit dem Fuße auf, »es ist nicht wahr!«
    Delamarche sah ihn mit spöttisch zugespitztem Munde an, als könne er noch ganz andere Dinge verraten. Unter die Kinder brachte die unerwartete Aufregung Karls große Bewegung, und sie zogen zu Delamarche hin, um lieber von dort aus Karl genau anzusehen. Robinson hatte den Kopf völlig aus dem Wagen gesteckt und verhielt sich vor Spannung ganz ruhig; hie und da ein Augenzwinkern war seine einzige Bewegung. Der Bursche im Tor schlug in die Hände vor Vergnügen, die Frau neben ihm gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, damit er ruhig sei. Die Gepäckträger hatten gerade Frühstückspause und erschienen sämtlich mit großen Töpfen schwarzen Kaffees, in dem sie mit Stangenbroten herumrührten. Einige setzten sich auf den Trottoirrand, alle schlurften den Kaffee sehr laut. »Sie kennen wohl den Jungen?« fragte der Polizeimann den Delamarche.
    »Besser, als mir lieb ist«, sagte dieser. »Ich habe ihm seinerzeit viel Gutes getan, er aber hat sich dafür sehr schlecht bedankt, was Sie wohl, selbst nach dem ganz kurzen Verhör, das Sie mit ihm angestellt haben, leicht begreifen werden.«
    »Ja«, sagte der Polizeimann, »er scheint ein verstockter Junge zu sein.«
    »Das ist er«, sagte Delamarche, »aber es ist das noch nicht seine schlechteste Eigenschaft.«
    »So?« sagte der Polizeimann.
    »Ja«, sagte Delamarche, der nun im Reden war und dabei mit den Händen in den Taschen seinen ganzen Mantel in schwingende Bewegung brachte, »das ist ein feiner Hecht. Ich und mein Freund dort im Wagen, wir haben ihn zufällig im Elend aufgegriffen, er hatte damals keine Ahnung von amerikanischen Verhältnissen, er kam gerade aus Europa, wo man ihn auch nicht hatte brauchen können; nun, wir schleppten ihn mit uns, ließen ihn mit uns leben, erklärten ihm alles, wollten ihm einen Posten verschaffen, dachten, trotz allen Anzeichen, die dagegen

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