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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Lies
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später in der von der IHK Dortmund vorgesehenen Regelzeit ab.
    Eine Zeit, in der andere aufregendere Dinge taten, wie zum Beispiel ein Au-Pair-Jahr einzulegen. Natürlich kann ein Jahr als Kindermädchen nicht schaden, wenn man wie meine Freundin Melanie in der Villa eines Produzenten in Malibu landet. Anders sieht es aus, wenn man wie Laura nach nur einem Monat ohne fließend Wasser bei den Amish versucht, sich in der Abgeschiedenheit Montanas zum nächsten Flughafen durchzuschlagen. Ich für meinen Teil hatte mich bemüht, nach dem unerfreulichen Stau am Buffet der Abifeier lieber voranzukommen.
    Meine erste Festanstellung ergatterte ich dann nahtlos in einer trendigen Großagentur in Hamburg. Ein spartanisches Loft, in dem man sein Mountainbike genauso abstellen durfte wie seinen Jack-Russell-Terrier, während der Arbeitszeit kickern und auf Firmenkosten reichlich Espresso trinken konnte. Außerdem liefen ein paar hübsche Grafiker herum, die mit Skateboards zur Arbeit kamen und Hosen trugen, die ihnen bis unter die Pobacken hingen. Paradiesische Zustände – auf den ersten Blick.
    Übrigens finde ich es rückblickend völlig in Ordnung zuzugeben, dass man eine Phase im Leben hatte, in der man absichtlich entblößte hellblau karierte Boxershorts als unwiderstehlich empfand und den potenziellen Vater gemeinsamer Kinder gemäß dessen Playlist wählte. Natürlich sind meine Kriterien heute weitaus differenzierter. (Groß, dunkelhaarig, Dreitagebart.)
    Anfangs ließ ich mich hinreißen zu glauben, dies sei meine Zukunft, woran natürlich das Fernsehen schuld war. Seinerzeit waren DVDs noch wenig populär, und man musste alle Werbeblöcke mitgucken, wenn man minuziös wissen wollte, wie es mit Brandon, Brenda und Kelly aus Beverly Hills 90210 weitergeht. So identifizierte ich mich begeistert mit Stereotypen, die in den Spots zwischen Serien und weihnachtlichen Dreiteilern herumliefen und ihre Surfkarriere einem Nuss-Nougat-Aufstrich im Fünfhundert-Gramm-Glas zuschrieben.
    Ich war überzeugt, mein Leben würde in Kürze genauso aussehen: Morgens würde ich dem Mann meiner Träume (ein Tierarzt gefangen im Körper eines Profifußballers) lachend das Marmeladenbrot ohne Zuckerzusatz entreißen, später mit einer Freundin und einem Erdbeerriegel im aeroben Bereich durch Naturschutzgebiete joggen, die eigene Schmucklinie absegnen und abends auf der indirekt beleuchteten Dachterrasse enden, um mit ein paar Investment-Freunden die Huxelrebe Spätbeerenauslese zu verkosten.
    Dummerweise geschah nichts von alledem.
    Beim Yoga bekam ich nicht einmal den Sonnengruß hin, blieb mit dem Vorderreifen meines Rennrads abrupt in einem Gulli stecken und entwickelte eine unansehnliche Allergie gegen nickelhaltige Legierungen, weswegen ich gezwungen war, mich nicht nur von meinen Illusionen, sondern auch von mehreren Paar Ohrringen in Tropfenform zu trennen.
    Und das Schlimmste: Bis heute gibt es niemanden in meinem Leben, der mit italienischem Akzent und nicht zu verachtender Erotik zu mir sagt, er habe gar kein Auto. Ergo ist es Zeit, meine Lebenssituation zu überdenken.
    Wem bitte schön ist das noch nicht so gegangen, als er mit vollen Tüten von H & M zu Hause ankam? Auf einmal brauchst du das Paillettentop doch nicht mehr und das, obwohl du den ganzen Samstagvormittag angestanden hast, um es in einer engen Umkleide anprobieren zu können, und dich an der Kasse zwischen Haarreifen, Socken und Fusselrollen hast komisch angucken lassen müssen, weil du mit EC-Karte gezahlt hast und sich hinter dir die Massen drängten.
    Jetzt erst bemerke ich, dass die Pailletten runterrieseln, das Meerjungfrauenfrühlingsgrün abfärbt und die Durchschnittsfaser aus Bangladesch nur Handwäsche verträgt. »Fehlkauf« ist zwar ein hässliches Wort, aber meine erste Berufswahl könnte man so bezeichnen. Die Agentur kommt mir langsam auch vor wie eine kleine düstere Umkleide mit Schweißgeruch, verursacht durch billigen Nylon. (Könnte auch der Hund sein, aber dazu später.) Und mein Hauptproblem ist nach wie vor mein Abenteuer-Defizit.
    Nicht gerade eine aufregende Bilanz, drei Jahre nachdem meine Eltern den Wintergarten mit ein paar kalten Platten und einer Gulaschkanone eingeweiht haben und darin glücklicher sind als ich es in meinem Refugium bin. Die rechte Hälfte meines Schreibtisches wird permanent vom Dobermann meines Art-Direktors Julian in Beschlag genommen, den er mir auch heute Nacht »zur moralischen Unterstützung« dagelassen hat.

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