Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
schon der dritte Pilot in der Küche auftauchte und fragte: »Was gibt’s denn heute?«
Da auf sehr langen Strecken von drei Piloten, außer zu Start und Landung, immer nur zwei im Cockpit sind und einer schläft, ist man entweder mit den Gästen beschäftigt oder mit einem von ihnen. Ist einer satt und geht schlafen, steht der Nächste auf und ist hungrig.
Sie reichte ihm die Speisekarte der First-Class-Gäste, woraufhin er sofort monierte, dass die Ente aus war.
Die Ernährung von Piloten ist eine heikle Angelegenheit, und ich rate jedem, der in Zweifel ist, auf Menge zu setzen. Damit macht man nichts verkehrt.
So war ich bereits auf meinem nächsten Flug lieber in der Kabine und bediente Skyline-Gäste statt Skyline-Personal, von dem ich finde, dass es sich wenigstens von Zeit zu Zeit auch mal selbstständig eine Cola light nehmen könnte nach dem zweiten Teller Kaviar, während ich in einen Zwieback beiße und gleichzeitig versuche, den reklamierten Weißwein kälter zu kriegen. Kein leichtes Unterfangen, denn entgegen der landläufigen Meinung haben wir keine Kühlschränke an Bord. Medikamente der Gäste oder deren importierten Hummer aus Boston können wir nur auf eine große Tüte mit Eiswürfeln legen, die eigentlich für Getränke vorgesehen sind.
Bereits recht routiniert baute ich ein anderes Mal, kurz vor der Landung in San Francisco, das Motto-Buffet auf. Inzwischen war Oktoberfest, was bedeutete, ich musste ziemlich viel Aufwand betreiben, um in luftiger Höhe den regionalen Charme Bayerns aufleben zu lassen. Was für ein Unterfangen.
Als ich die Löwenkopf-Terrine auf die weiß-blaue Tischdecke gestellt und den süßen Senf in Porzellanschälchen umgetopft hatte, erschien mit prüfendem Blick der Purser und sagte:
»Schätzelein, denk bitte an den Brezenbaum!«
Ich packte auch das Holzgestänge aus, an das Butterbrezen gehängt werden und mehrere Lebkuchenherzen. Masskrüge, Golfbälle mit dem Wappen des Freistaats und gebrannte Mandeln verpackte ich sorgsam zum Mitnehmen für die Gäste.
Plötzlich stand ein älterer Herr vor mir, den ich von der Passagierliste her natürlich mit Namen kannte; dennoch stellte er sich mir persönlich nochmals als Joseph Mizrachi vor. Er versuchte, mir ein Gespräch aufzuzwingen.
Ich überlegte, wie ich ihn höflich zurück in die Kabine komplimentiert bekäme, denn der Bereich vor dem Cockpit ist auch für First-Class-Gäste aus Sicherheitsgründen tabu. Ein Umstand, für den sich ein anderer Gast erst kürzlich gerächt hatte, indem er ganz aus Versehen nachts in einen Schrank gegenüber der Toilette auf die Handtasche einer Kollegin gepinkelt hatte.
Ich fragte Mr Mizrachi, was ich für ihn tun könne, aber er sagte, er müsse sich nur die Beine vertreten. Ich ließ ihn vorerst gewähren und gab mich beschäftigt, indem ich das kleine Hackerzelt und den Schottenhammel aufbaute, aus denen sich die Gäste dann eine Panna Cotta in einem Fässchen Hacker Pschorr würden nehmen können.
»So, you are from Munich?«
Das hatte mir gerade noch gefehlt. Relativ schnell kam er von dieser Frage auf die Frage, ob ich verheiratet sei.
Mist, das kommt davon, wenn man nachlässig wird mit seinem Fake-Ehering! Ich hatte es nach der Trennung von Malte recht schnell als lästig empfunden, ihn zu tragen, auch wenn ich ausnahmsweise mal nicht allergisch reagierte.
Gottlob erschien meine Kollegin, erkannte die dramatische Lage und schickte mich zum Abräumen ins Cockpit.
Für den Rest des Fluges spürte ich die Blicke des Geschäftsmannes aus Tel Aviv förmlich und musste dennoch höflich bleiben und seine Komplimente zu meinen Perlenohrringen, meinem Lächeln und meinen Locken dankend hinnehmen bis zur Landung.
Kaum, dass wir die First-Class-Gäste verabschiedet hatten, näherten sich auch schon die ersten First-Class-Touristen. Nur Mr Mizrachi, der darauf bestand, dass ich ihn ab sofort Joseph nennen sollte, blieb einfach vor mir stehen und fragte noch einmal, wie es denn aussähe mit einem abendlichen Essen im teuersten Restaurant San Franciscos, in das er mich natürlich einladen würde. Ich lächelte verhalten und lehnte dankend ab, was ihn endlich bewog, von Bord zu gehen.
»Na, bei dem hattest du ja einen Stein im Brett«, sagte meine Kollegin. »Ich beneide dich!«
»Wie bitte?«, gab ich gereizt zurück.
»Der Flug hatte zwölf Stunden, wir sind seit achtzehn Stunden wach, der Typ ist dreißig Jahre älter als ich, und das Letzte, was ich jetzt will, ist,
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