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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Lies
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Extreme treffen nicht zu. Ich öffne eine Kurzübersicht der wichtigsten Eignungskriterien. Größtenteils sind es Verweise von wegen hoher Einsatzbereitschaft unter Stress, starke Serviceorientierung und freundliches Auftreten, die ich jedoch nicht allzu ernst nehme. Derartige Soft Skills werden doch heutzutage schon an jeder Käsetheke verlangt! Und natürlich bin ich offen für fremde Kulturen: Ich konsumiere Smoothies, schätze Lasagne und weiß, was ein Nigiri-Maki ist. Viel wichtiger ist, dass ich die Hard Skills erfülle, denn an denen ist ja nicht zu rütteln.
    Gottlob habe ich weder über fünf Dioptrien noch ist bei mir eine Laser-OP vor weniger als sechs Monaten durchgeführt worden. Und ein Blick in meinen Personalausweis, den ich samt Portemonnaie unter dem schlummernden Dobermann hervorziehe, verrät mir, dass ich mit meiner Größenangabe von 1,68 Meter auch dieses Kriterium locker erfülle.
    Bei der Gewichtsangabe ploppt der freundliche Hinweis auf, dass diese in angemessener Relation zur Größe stehen sollte. Dank weniger Mittagspausen und der Tatsache, dass ich mich zusammen mit Kollegen der Buchhaltung vielfach nur von einem gigantischen lila Schmunzelhasen im Foyer ernähre, der von einer Süßwaren-Promo übrig geblieben ist, wiege ich aerodynamische achtundfünfzig Kilogramm. Damit werde ich diese Saison nicht über einen Pariser Laufsteg schreiten, aber ich könnte mich jederzeit durch ein Notfenster hinaus in den Atlantik zwängen.
    Und Tätowierungen habe ich im Gegensatz zum Vizepräsidenten der Agentur ja auch nicht. (Ein Glück, dass ich mich beim Abischerz doch noch gegen das Einhorn am Handgelenk entschieden habe.)
    Schritt drei hält einen Psychotest parat. Hier ernte ich endlich die Früchte meiner über ein Jahrzehnt konsequent gesammelten VOGUE -Multiple-Choice-Erfahrung. Nur bekomme ich kein Direkt-Resultat. Womöglich bin ich eine Art Stewardessen-Herbst-Typ und ein kräftiger Hauch Kerosin würde meine dominante Persönlichkeit sinnlich unterstützen? Erfahren werde ich es in dreißig Tagen, wenn meine Daten ausgewertet sind.
    Dann klicke ich mich eifrig durch einen ersten Englischtest, in dem vor allem Grammatik gefragt ist. (Nur gut, dass ich Lipstick Jungle im Original geguckt habe.)
    Abschließlich verfasse ich in einem berauschenden Finale das gewünschte Motivationsschreiben, referiere über den Menschheitstraum Fliegen im Allgemeinen, drücke mein Bedauern über den Niedergang der Pan Am im Besonderen aus und schließe mit einer Abhandlung bezüglich meiner brennenden Leidenschaft für Fernlenkdrachen, die allerdings den Sommer 1987 in Sankt-Peter-Ording nicht überdauert hat.
    Zufrieden ende ich, gerade als der Dobermann im Schlaf derartig zusammenzuckt, dass anzunehmen ist, auch er hänge intensiv seinen Träumen nach.
    In Sachen Gastronomie-Erfahrung muss ich leider passen. Ich habe mal aushilfsmäßig in einem Restaurant auf Rollschuhen Clubsandwiches verteilt, leider war die Bedienung der Stopper nicht mein Ding.
    Miss Universe klopft ungeduldig von innen an die Scheibe meines Rechners, was mich derartig erschreckt, dass ich reflexartig auf »Abschicken« klicke. Mein Formular, das ich eigentlich nochmal hatte prüfen wollen, verschwindet augenblicklich, und sie winkt kurz unter einem Geräusch, das wohl einen Take-off simulieren soll.
    Meine Zukunft ist besiegelt.
    Diesmal habe ich ein deutlich besseres Gefühl, als damals mit dem Berufskompass, der mich in die Werbebranche brachte. Und die Intuition einer Frau ist schließlich ein solider Maßstab.
    Voller Stolz verkünde ich bei Tagesanbruch telefonisch meiner Schwester meinen Entschluss und ernte unerwartet eine erste Negativreaktion:
    »Charlotte, hast du eine Quarter-Life-Crisis?«
    Typisch! Gnadenlos muss sie jegliche Euphorie von mir sabotieren. Doch statt mich wie sonst von dieser plumpen Jürgen-Domian-Psychologie provozieren zu lassen, tue ich etwas, das zeigt, dass ich für die Tätigkeit als Stewardess absolut geschaffen bin: Ich bleibe freundlich und halte eine kurze Rede, in der Sätze fallen wie »nicht für immer«, »bloß eine Auszeit«, »nur mal ein bisschen reisen« und »natürlich promoviere ich danach noch in Astrophysik«.
    Als ich auflege, merke ich leider, dass auch in mir leise Zweifel aufsteigen, die letzten Jahre so abzuhaken. Und während ich den Karabinerhaken der Kalbslederleine in das Halsband des Dobermanns einhake und wir die Treppen in den Hof hinuntergehen, wird mir erst recht

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