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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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die Honigstimme gehöret:
    Jener sodann kehrt fröhlich zurück und mehreres wissend.
    Denn wir wissen dir alles, wieviel in den Ebenen Trojas
    Argos' Söhne und die Troer vom Rat der Götter geduldet,
    Alles, was irgend geschah auf der vielernährenden Erde.
    So sangen sie. Mir aber schwoll das Herz im Busen vor Begierde, sie zu hören; ich winkte meinen Freunden mit dem Kopfe, mich loszubinden. Aber sie mit ihren tauben Ohren stürzten sich nur um so rascher aufs Ruder, und zwei von ihnen, Eurylochos und Perimedes, kamen herbei und legten mir, wie ich früher befohlen hatte, noch viel stärkere Stricke an und schnürten auch die alten fester zusammen. Erst als wir glücklich vorübergesteuert und ganz außer dem Bereiche der Sirenenstimmen waren, nahmen meine Freunde sich selbst das Wachs aus den Ohren, und mir lösten sie die Fesseln wieder. Ich aber dankte ihnen herzlich für ihre Beharrlichkeit.
    Kaum waren wir etwas vorwärts gerudert, als ich von ferne Wasserstaub und eine mächtige Brandung gewahr wurde. Das war die Charybdis, ein täglich dreimal unter einem Fels hervorquellender und wieder zurückwallender Strudel, der jedes Schiff verschlingt, das in seinen Rachen gerät. Meinen Begleitern fuhren die Ruder vor Schrecken aus der Hand; sie flossen dem Strome nach, und das Fahrzeug stand stille. Ich selbst sprang von meinem Sitze auf, durcheilte das Schiff und sprach den Freunden, von Mann zu Manne gehend, Mut ein. ›Lieben Freunde‹, sagte ich, ›wir sind ja keine Neulinge in den Gefahren. Was auch kommen mag, ein größeres Leid als in der Höhle des Zyklopen kann uns nicht betreffen; und doch half euch dort meine Klugheit hinaus. Drum gehorchet mir nur alle. Bleibt fest auf euren Bänken sitzen und schlaget mutig mit den Rudern‹ – denn sie hatten sie wieder gefangen – ›auf die Brandung los. Ich denke, Zeus hilft uns durch schleunige Flucht aus dieser Not. Du aber, Steuermann, nimm alle deine Besinnung zusammen und lenke das Schiff durch Schaum und Brandung, so gut du kannst! Arbeite dich an den Fels hin, damit du nicht in den Strudel geratest!‹ So hatte ich die Freunde vor dem Strudel Charybdis gewarnt, von welchem mir Kirke erzählt hatte; aber von dem Ungeheuer Skylla, das gegenüber drohete, schwieg ich noch weislich; ich fürchtete, die Genossen möchten mir vor Schrecken wieder die Ruder fahrenlassen und sich im innern Schiffsraume zusammendrängen.
    Eines andern Gebotes hatte ich jedoch vergessen, das Kirke mir auch gegeben. Sie hatte mir nämlich verboten, mich zum Kampfe mit diesem Ungeheuer zu rüsten; ich hüllte mich aber in meine volle Waffenrüstung, nahm zwei Speere in die Hand und stellte mich so aufs Verdeck, um dem herankommenden Ungeheuer zu begegnen. Aber obgleich mir die Augen vom Umherschauen schmerzten, konnte sie mein Blick doch nicht entdecken, und so fuhr ich denn voll Todesangst in den immer enger werdenden Meerschlund hinein. Diese Skylla hatte mir Kirke so geschildert: ›Sie ist kein sterblicher Gegner, vielmehr ein unsterbliches Unheil; Tapferkeit vermag nichts gegen sie, die einzige Rettung ist, ihr zu entfliehen. Sie wohnt gegenüber der Charybdis in einem sein spitzes Haupt in die Wolken steckenden Fels, ewig von dunkelem Gewölk umfangen, von keinem Sonnenstrahl erleuchtet und ganz aus glattem Gesteine aufgetürmt. Mitten in diesem Fels ist eine Höhle, schwarz wie die Nacht; in dieser haust die Skylla und gibt ihre Gegenwart nur durch ein fürchterliches Bellen kund, welches über die Flut herüberhallt wie das 300
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Geschrei eines neugeborenen Hundes. Dieses Ungeheuer hat zwölf unförmige Füße und sechs Schlangenhälse, auf jedem derselben grinst ein scheußlicher Kopf mit drei dichten Reihen von Zähnen, die sie fletscht, ihre Opfer zu zermalmen; halb ist sie einwärts in die Felskluft hinabgesenkt, ihre Häupter aber streckt sie schnappend aus dem Abgrunde hervor und fischt nach Seehunden, Delphinen und wohl auch größeren Tieren des Meeres. Noch nie hat sich ein Schiff gerühmt, ohne Verlust an ihr vorübergekommen zu sein; gewöhnlich hat sie, ehe sich's der Schiffer versieht, in jedem Rachen einen Mann zwischen den Zähnen, den sie aus dem Schiffe geraubt hat.‹
    Dieses Bild hatte ich vor meiner Seele und spähte vergebens umher. Indessen waren wir mit dem Schiffe ganz nahe an die Charybdis geraten, die die Meeresflut mit ihrem gierigen Rachen einschlürfte und wieder ausspie; die brauste wie ein

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