Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saiäns-Fiktschen

Saiäns-Fiktschen

Titel: Saiäns-Fiktschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fühmann
Vom Netzwerk:
dagegen kann man auch nichts machen. Aber im Grunde widersprech ich dir nicht!“
    Er hängte das Bild zurück und sagte dabei: „Und dennoch: höchstwahrscheinlich Typ fünf.“
    „Was denn: Typ fünf?“
    „Dein Schlußargument. Ich sag’s nur jetzt an, sonst monierst du wieder, ich behauptete alles im nachhinein.“
    „Habt ihr etwa einen Katalog solcher Typen?“
    „Gewiß, du kannst ihn bei Pavlo dann einsehn. Er ist psychologisch recht interessant: die Nomenklatur des Nichtwahrhaben-Wollens. Typ eins wäre das Anzweifeln des Meßgeräts. Beispiel: Einer sieht sich am Versuchstisch sitzen und sagt danach: So, und jetzt steh ich auf!, doch da er das sagt, war es just der Zeitpunkt, den der Computer der Schau zugeschrieben, und nun erklärt er, die Uhr gehe falsch. Typ zwei wäre etwa so zu beschreiben: Einer sieht, daß er sich am Kopf kratzen wird, und sagt: Ich werde also dies nicht tun!, und da er ‚dies nicht‘ sagt, kratzt er sich genauso, und natürlich genau dann, als er’s gesehn hat. Danach schimpft er, er sei reingefallen — das käme übrigens deiner These der Selbsthypnose nahe. Typ drei wäre expressis verbis dann wirklich die Hypnoseansicht —“
    „Erlaube mal: Nicht zu widerlegen, zumindest nicht durch die Versuchsperson.“
    Janno zuckte wortlos die Schultern. Sie bogen in den Rottürengang.
    „Am Ende liegt Pavlos Labor“, sagte Janno. „Wir spotten: beinah schon im Infrarot.“
    Ob die Türfarben hier entgegengesetzt zu anderswo liefen, fragte der Gast, und auf Jannos Antwort, sie wiesen auch hier, wie überall, den Geheimhaltungsgrad der Tätigkeit aus, und zwar ebenfalls von Rot aufwärts sich steigernd, gab der Besucher seinem Erstaunen Ausdruck, daß Janno dann im Blautürengang, also erheblich über Pavlo siedle, wiewohl er, Janno, seines Wissens doch lediglich Zeitungsausschnitte sammle; wogegen —
    „Na eben drum“, erwiderte Janno. „Das Knifflige ist die Vergangenheit; die Zukunft liegt doch offen da. Das heißt“, fügte er rasch hinzu, „wir sind ja hier alle nur kleine Leute, es ist ja nur ein Orange-Institut.“
    „Genau wie die Logik“, brummte der Gast; und dann, mit jähem Handausstrecken: „Wie ist das also? Hältst du die Wette? Ich setze volle fünf Pfund gegen eins!“
    „Das kann ich nicht machen“, protestierte Janno, „ich weiß doch genau, daß du verlierst. Nein, schrei nicht gleich, hör mich ruhig an. Pavlo hat das Hunderte Male versucht, und dutzendmal bin ich dabeigewesen, und nie gab’s eine Ausnahme; nie! Wir sehn: da wird der Versuchsmann halbschräg am Tisch sitzen, und zwar nach ganzen zwanzig Sekunden — und sofort nach der Schau ist der aufgesprungen und rennt wie rasend im Zimmer herum, und da verknackst er sich den Knöchel und fällt auf den Stuhl und sitzt halbschräg am Tisch, und natürlich ist’s X-Zeit! Ein zweites Mal dieselbe Schau: er wird am Tisch sitzen, wieder nach zwanzig, nein, diesmal schon nach achtzehn Sekunden, und wieder — es ist der Prüfling von vorhin —, wieder steht der auf, doch nun geht er langsam, denn so was, sagt er, passiert nicht noch einmal, diesmal verknackst er sich nicht den Fuß! Und so geht er langsam den Tisch entlang, da plötzlich, es ist völlig unerklärlich, da plötzlich sagt er: ‚Ihr glaubt wohl, ich spiele euren Affen und mach immer nur das, was ihr von mir wollt? Ihr lauert, daß ich hier herumspaziere — nun grade nicht!‘ Und er setzt sich hin und brüllt dabei: ‚Ich hab schließlich auch meinen freien Willen!‘ Natürlich X-Zeit. Wir standen da wie vorn Kopf geschlagen, und er ist’s wohl am meisten gewesen, denn er hat sich nun darauf versteift und eine Theorie aus seinem Versagen gemacht. Er sei es satt, stets im Einklang mit den Wünschen Anderer zu handeln, hat er erklärt, er werde fortan
nur
seinem freien Willen gehorchen und sich damit als Individuum konstituieren. Und da gerade die großen Institutsleitungswahlen vorbereitet wurden, hat er sich hingesetzt und einen Brief an die Zentrale geschrieben, daß er den Spitzenkandidaten ablehne, aber da will es der Teufel, daß fast jeder einen ähnlichen Brief schreibt, und der Spitzenkandidat wird von ganz oben zurückgezogen — es war die Sache mit dem angeblich korrupten X. X., erinnere dich, wo sich dann später herausgestellt hat, daß die Vorwürfe unberechtigt waren. — Anstatt nun hellhörig zu werden, hat sich unser Held des freien Willens immer tiefer in die Patsche hineingeritten: hier stimmt er aus

Weitere Kostenlose Bücher