Saigon - Berlin Thriller
Zigarillo an.
»Du rauchst noch als Ärztin?«
Sie grinste. »Es reicht doch, wenn ich das meinen Patienten verbiete, oder? Irgendeinen Sinn müssen mein Studium und mein Rang doch haben.«
»Dürfen wir hier überhaupt rauchen?«
Die alte Dame lächelte verschmitzt. »Natürlich. Mein Mann hat bis zu seinem Lungenkrebs auch erfolgreich geraucht. Das riecht für mich so nach Familie, in der jeder nur das tut, was ihm passt. Bis Mama zu Tisch ruft. Dann folgen alle. Raucht nur.«
Ich zündete mir eines von Mickys Zigarillos an. Die alte Dame spürte die Spannung, die zwischen uns knisterte. Ich hatte Fragen über Fragen.
»Entweder gehe ich jetzt einkaufen und lasse euch zur Klärung eurer Probleme allein. Das dauert bei mir etwa zwei Stunden, bis ich mich mit den Nachbarinnen ausgequatscht habe. Oder ihr geht eine Tür weiter.« Sie überlegte einen Moment. »Würde ich euch aber nicht raten. Die alte Kuh von gegenüber redet mir mit dem Hausmeister zu viel. Also, wenn ihr gehen wollt, nicht alle auf einmal.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Also, macht was ihr wollt. Zum Mittagessen gibt es Rinderrouladen mit Rotkraut und Kartoffelbrei. Ist schnell gemacht. Bier steht im Kühlschrank. Cognac im Wohnzimmerschrank. Erste Tür rechts.« Dann fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Micky sah mich an. »Du hast Fragen über Fragen. Ich weiß. Aber du bist selbst schuld, wenn du dich zwanzig Jahre nicht um deine Tochter gekümmert hast. Also fangen wir mit The-Marias Pass an. Du warst auf dem Flug von Saigon nach Bangkok dabei. Ihre Geburt wurde bestätigt. Damit war sie eine vorläufige Bürgerin der Vereinigten Staaten. Dann verschwanden Mutter und Tochter spurlos für fast siebzehn Jahre. Jemand von der Chu-Familie hat herausgefunden, dass ich in Westberlin tätig war. Über unsere Kontaktpersonen im Osten nahmen wir Verbindung zu The-Maria auf und hielten ihn auch. Ewald hat uns sehr dabei geholfen. Das war es, bis sie vor ein paar Tagen im amerikanischen Generalkonsulat hier in Köln auftauchte und mich als einzige Vertrauensperson wünschte. Sie hatte ihre US-Geburtspapiere dabei. Somit hatte sie wieder Anspruch auf Schutz. Man rief mich aus Berlin hierher. Sie erzählte eine wirre Geschichte von Mord, Opium, von dir, einem Schikowski und Minsky. Da haben sich unsere Leute entschieden, sie zu einem vorläufigen Mitglied der Berlin-Brigade zu machen. Das ist unverfänglich und stellt sie, mal wieder vorläufig, unter diplomatischen Schutz, bis Washington entschieden hat. Bis dahin muss ich sie außer Landes geschmuggelt und in einer Militärakademie untergebracht haben. Dann ist sie endgültig außer Gefahr.«
Micky durchsuchte den Wohnzimmerschrank und kam strahlend mit einer Flasche Asbach Uralt zurück.
»Ist nie zu früh. Aber immer zu spät.«
Ich legte ihr das Titelblatt vor, das ich letzte Nacht verbrochen hatte.
Micky nickte und schmunzelte. »Jetzt wird man dich sicher fragen, woher du diese Fotos hast. Du bist wirklich verdammt gut und schnell in deinem Job.«
»Nein. Ich frage dich, woher du die Fotos der beiden enthaupteten Männer hast und was dieser Quatsch mit der Kerze im Dom sollte?«
Micky blies die Backen auf und ließ die Luft lautstark über bebende Lippen ausströmen. Rollte mit den Augen. »Ich glaube, das kann dir deine Tochter besser beantworten. Ich gehe sie mal wecken.«
»Nicht nötig. Ich habe mitgehört.« The-Maria lehnte in der Türöffnung.
Sie sah sich kurz die Fotos von Steiger, Schikowski und Minsky an. Las meinen Kommentar und frühstückte, als sei es das Normalste der Welt, dass Tote auf der Titelseite zwischen Kaffee und geschmierten Brötchen prangten.
»Wie ist Ewald Steiger gestorben? Bei den anderen sieht man es ja.«
Meine Tochter wurde mir mit ihrer Kaltschnäuzigkeit unheimlich.
»Er ist einfach umgefallen. Hatte Schaum vor dem Mund.«
The-Maria nickte und kaute weiter.
»Weißt du, was er vorher gegessen hatte?«
Ich erinnerte mich. Erdnüsse. Rührei mit Krabben. Ein paar Kölsch.
»Dann hat er sich selbst umgebracht«, sagte meine Tochter und trank von ihrem Kaffee. »Er wusste, dass Minsky ihm auf der Spur war. Sein letzter Zufluchtsort bei seinem Bruder war ihm verloren gegangen. Wie mir meiner ständig verloren geht. Ohne Familie ist es nämlich beschissen, sich durch die Welt zu schlagen.«
Micky hatte sich bisher herausgehalten und nur die Stirn in Falten gelegt.
»Was meinst du damit, dass sich dieser Ewald selbst umgebracht
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