Saigon - Berlin Thriller
dann auch gesehen haben.«
Ewald blickte versonnen dem Zigarettenrauch nach, der sich in der Thekenbeleuchtung verkroch.
Es folgten ein weiteres Kölsch und eine Hand voll Erdnüsse.
»Weiß ich nicht. Die anderen habe ich noch nie gesehen. Und die Kerze hat immer eine schwarz gekleidete Frau mit einem Schleier ausgetauscht. Sie sah aus wie eine trauernde Witwe.«
Dann schwieg er zwei Kölsch lang. Rauchte und knabberte Erdnüsse.
»Woher kennst du Schikowski?«, versuchte ich sein demonstratives Schweigen zu brechen. Ewald fühlte sich unwohl. Er schwitzte und schüttelte unwillig den Kopf.
»Schikowski hat auch eine Akte bei der Stasi. Das muss dir reichen. Mehr kann ich dir nicht sagen, ohne umgelegt zu werden.« Er sah hungrig die Erdnüsse an, ließ es dann aber sein. »Ich werde morgen abreisen. Wenn du morgen wach wirst, hast du alle deine Schlüssel wieder und bist mich los. Das ist hier kein Leben für mich.«
Schwerfällig stieg er vom Hocker. Nickte kurz.
»Nur eines solltest du wissen: Es geht um Opium. Um verdammt viel Opium, das du und deine Kollegen mit den diversen Mercedes über diverse Grenzübergänge in den Westen gebracht haben. Wer der Drahtzieher ist, das musst du selbst herausfinden. Aber ...«, er lächelte müde, »das wird dir schwerfallen. Dahinter steckt die Vietnam-Mafia. Die Russen sind zu blöde für solche ausgeklügelten Geschäfte. Mach's gut. Du hättest wirklich besser eine Chinesin genommen. Nun hast du ein dickes Problem.«
Ich bezahlte und wartete einen Moment. Folgte ihm in die Dunkelheit.
Schwerfällig schwankte seine Silhouette im Licht der Straßenbeleuchtung vor mir her. Hielt sich an parkenden Autos fest. Ging weiter. Hustete. Erbrach sich. Schleppte sich weiter. Sackte hinter einem Auto zusammen.
Ich kam zu spät.
Weißer Schaum im Mund. Offene und verdrehte Augen. Ewald war tot.
Ein zuverlässiger Mann. Nur für wen? Das würde ich jetzt nicht mehr herausfinden.
Ein Taxi hielt. Ich bat den Fahrer, einen Notarzt zu rufen. Nahm meine Schlüssel und alle Papiere, die ich in seiner Jacke finden konnte an mich. Seinen Pass steckte ich zurück. Wenn ich schon eine Leiche meldete, sollte die auch identifizierbar sein.
Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Mein einziger Informant war tot. Hatte ich Erdnüsse gegessen? Nein, hatte ich nicht. Das Zeug mochte ich nicht besonders, da es immer zwischen den Zähnen hängen blieb. Ich rannte und verfluchte mein Gewicht. Wo war meine Kondition von Vietnam geblieben? In den Speisekarten von Kneipen und Fast Food. Mit fliegenden Händen öffnete ich die Eingangstür und trieb den Hausmeister vor dem Fernseher weg.
»Haben Sie einen Fotoapparat?«
Der Mann nickte. »Ja. 'ne olle Zenith.«
»Ist da ein Film drin?«
»Jule, wo is meene Zenith? Is da nochn Film drin?«, rief er in die Wohnung.
»Wo wohl? Im Buffet. Wo se hinjehört. Und der Film is seit einem Jahr nich voll jeworden. Du wirs immer fauler.«
Ich musste mich beeilen, bevor der Notarzt Ewalds Leiche holte. Um an meine Kameras im Verlag zu kommen, war es zu spät, so hetzte ich mit der alten Russenkamera zurück und verdreifachte die Filmempfindlichkeit. Das musste ohne Blitz reichen.
Ich fotografierte Ewald unterhalb einer Stoßstange. Mein Journalistengehirn malte sich alle Szenarien aus, die möglich waren. Das Foto mit meinem Artikel musste morgen in der Zeitung stehen. Nur so konnte ich das Spiel, das jemand im Hintergrund dirigierte, unterbrechen oder es neu mischen. Ich musste jetzt alles versuchen, um den oder die Unbekannte zu einer Reaktion zu zwingen. Und das war nur über die Presse möglich. Die Polizei würde erst in Tagen reagieren, wenn der Leichnam obduziert worden war. Dann musste die Staatsanwaltschaft ihr Interesse bekunden. Das würde sich Woche um Woche hinziehen. Nein. Ich musste den Drahtzieher aufscheuchen. Ich war mir sicher, dass Ewald nicht der letzte Tote sein würde.
Opium. Viel Opium, hatte Ewald noch gesagt. Der alte ORWO-Film war schnell entwickelt. Seine Privatfotos konnte der Hausmeister mit meiner neuen Filmeinstellung vergessen. Sie waren nur noch schwarz. Im Verlag hackte ich meinen Artikel dazu in den Computer. In zwei Stunden gingen wir für die morgige Ausgabe in Druck.
»Hast du das schon gesehen?« Ein Kollege der Spätschicht hielt mir zwei Fotos hin, die gerade auf Druckformat bearbeitet worden waren.
»Du bist doch an so einem komischen Fall. Hilft dir das?«
»Woher hast du die? Wer hat die wo
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