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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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Menschenrasse. Sie war ein Schlitzauge.
    Die Information des Wachtmeisters half mir freilich auch nicht viel weiter.
    Jahnstadion. Heute 19 Uhr.
    Mehr stand nicht auf dem Zettel.
    Was sollte das? Wo war hier ein Jahnstadion und, vor allem, wo fand ich bei diesem Wetter eine Unterkunft? Meine Orientierung ließ stark zu wünschen übrig. Schnee von oben. Alles grau. Keine Anhaltspunkte. Kaum Straßenbeleuchtung. Nur der Bus hinter mir blökte mit seinem Horn. Ich stand auf seiner Ausfahrspur. Warum hatte er überhaupt die Haltestelle angefahren? Niemand stieg ein. Niemand stieg aus. Aber vielleicht konnte mir der Fahrer helfen.
    »Jahnstadion. Watt wolln se denn da?«, berlinerte er. »Da is' momentan keen Spiel. Die spinnen doch zurzeit alle hier. Können se mal Ihre Scheese aus meiner Spur bewegen. Sonst mach ich noch 'nen Kratzer dran.«
    Der Bus war leer. Waren schon so viele abgehauen? Hatten sie in den Westen rübergemacht, wie man in Berlin sagte?
    »Watt is'? Ik hab 'nen Fahrplan einzuhalten«, knurrte er mich an.
    »Ich habe mich verfahren. Wo finde ich diese Nacht ein Hotel?«, versuchte ich die andere, höflichere Schiene.
    Der Mann kratzte sich kurz am Doppelkinn. »In dieser Ecke finden se jarantiert keen Hotel. Aber frajen se mal bei Olja. Oljas Imbiss. Zwei Haltestellen weeter. Dann rechts. Und nochma' zwee Haltestellen. Die wees hier allet. Grüßen se se von mir. Linje 25. Denn wees se schon Bescheid.«
    Die Sicht wurde schlechter. Ich folgte den angegebenen Orientierungspunkten. Zwei Haltestellen geradeaus. Zwei rechts. Stimmte. Aus einem alten Campingwagen mit einem überdimensionalen Vorbau aus Brettern drang Licht. Ein Blechschild wies es aus. Bei Olga. Eine handgemalte Tafel machte auf das »Tagesmenü« aufmerksam. Bratwurst mit Schrippe oder Pommes. Eins zehn. Die Buchstaben von Rollmops und Soleier strebten mit der Nässe langsam dem unteren Tafelrand entgegen. Die Kreide löste sich auf. Von den Buletten war nur noch »-etten« zu erkennen.
    Vier Männer, in Kapokjacken der russischen Armee eingemummt, diskutierten heftig an einem der drei Stehtische. Bier und eine Flasche Wodka bildeten den Mittelpunkt. »Die Verlierer und die Bonzen verlassen jetzt reihenweise die Republik. Und was bleibt uns?« Das Gespräch brach ab, als ich die Bude betrat. Der provisorische Vorraum wurde von einem Gasbrenner leidlich erwärmt. Vier nackte Glühbirnen als Innenbeleuchtung des als Grill umgebauten Wohnwagens, eine dralle Wirtin mit einer Grillzange. Zwei Kühlschränke. Eine Friteuse. Pappteller und Pappbecher. Ein Glas mit Soleiern. Eines mit Gurken. Zwei Plastikflaschen. Auf jeder klebte ein handgeschriebener Zettel, der Auskunft über den Inhalt gab. Senf und Majo.
    »Ich suche das Jahnstadion - und eine Unterkunft für die Nacht«, wandte ich mich an die fünf Menschen. Deren Blicke zogen mich geradezu aus. Ein Wessi! Die Augen tasteten abwechselnd mich und den Wagen ab, den ich vor diesem Gebilde von Wodka-Häuslichkeit geparkt hatte.
    Die Wirtin legte ihre nicht geringe Oberweite über den grob gezimmerten Ausschank.
    »Was trinken und essen Sie? Hier ist kein Auskunftsbüro. Und 'ne Wartehalle sind wir auch nicht.«
    Die Stimmung war nicht gut. Ich hätte den Mercedes woanders parken sollen. Nun war es zu spät. Entweder ich trat den Rückzug an, oder ...
    »Eine Runde für die Herren und für mich eine Bratwurst.«
    Das Gesicht der Frau wurde freundlicher. »Na, das nenne ich doch mal spendabel.«
 
    Eine Stunde später war ich den Betrag, der in Ostmark ausgewiesen war, in westdeutscher Währung los. Eine Flasche Wodka, acht Bier, eine Wurst und vier Frikadellen. Und kalte Füße hatte ich auch.
    »Was ist nun, Jupp? Unser Freund aus dem Westen hatte 'ne Frage«, fuhr die Frau einen »meiner« Gäste an. Der Wodka schien bei ihm keine Wirkung zu zeigen. Ruhig qualmte er eines meiner Zigarillos.
    »Mit einer Wurst und 'ner Schrippe lasse ich mich bestechen.« Seine Kumpane, die schon deutlich Schlagseite zeigten, lachten. So gut es eben noch ging. Jupp schien hier der Platzhirsch zu sein. Und dieser verdammte Schnee blieb liegen. Es wurde Zeit, dass ich etwas auf die Reihe bekam.
    »›Linie 25‹ hat mich hierhergeschickt«, warf ich beiläufig ein. Hoffentlich half das. Hier spürte ich nur Ablehnung. Bonzen, wie sie gesagt hatten. Die Verlierer der plötzlichen Grenzöffnung mochten keine vermeintlichen Gewinnler, die gleich mit dicken Autos vorfuhren.
    »Das Jahnstadion. Was wollen Sie da?

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