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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoite Groult
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er leide an dem, was uns widerfährt, und auch unendlich viel mehr Lustgewinn daraus schöpfe, weil ich das Ungehörige daran ohne Reue genieße.
    Sydney weiß nichts, oder so gut wie nichts. Ich will ihm Gauvain nicht zum Fraß vorwerfen, der Kampf wäre ein ungleicher, und ich wäre versucht, meinen Kormoran zu verraten, mich zu desolidarisieren, wenn ich ihn Sydney so beschreiben würde, wie er ist ‒ und für Sydney steht die Intelligenz stets an erster Stelle, selbst in einer Liebesbeziehung. Er würde mir beweisen, daß ich einen Wildhüter liebe und daß dies eine sehr schicke Erfahrung sei; teils aus Feigheit, teils um Syds Stolz zu schonen, würde ich darauf verzichten, ihm zu erklären, was mich so tief mit Lozerech verbindet und was ich mir selber nicht so recht erklären kann. Zum Glück begehe ich Unterlassungssünden ziemlich skrupellos, während ich zum Lügen unfähig bin. Anvertrauen kann ich mich nur meiner Schwester Frédérique und meinem alten Freund François. Meine Schwester fragt sich allmählich, was ich an diesem endlosen Fortsetzungsroman noch finde, und redet mir zu, nach neuen Horizonten Ausschau zu halten. Sie ist eine sentimentale, aber seriöse Person, die mit einem braven, ein wenig beschränkten Naturschützer verheiratet ist. Natürlich trägt er einen Bart, ist ein leidenschaftlicher Anhänger des Campings, des Bergsteigens und des Waldlaufs, und demzufolge geht er abends gern früh schlafen, und nur sonntags im Morgengrauen gelüstet es ihn nach einem kurzen »Aufhüpfen«. Zumindest stelle ich mir das Geschlechtsleben der beiden so vor, und meine Intuition wird durch den verkniffenen Gesichtsausdruck meiner Schwester bestätigt, wenn ich ihr meine sündhaften Ausschweifungen schildere, in der heimlichen Hoffnung, sie zu verunsichern und ihre Entwicklung in Richtung Scheidung zu beschleunigen. Denn eine Scheidung halte ich für unumgänglich, wenn sich Frédérique jemals noch persönlich entfalten soll. »Wenn ich bedenke, daß du mich früher Frédérique mit Tick nanntest! Für eine George Ohne-es bist du ganz schön verrückt geworden!« sagt sie zu mir, indem sie an unsere Wortspiele aus der Kindheit anknüpft. François hingegen findet mein Abenteuer mit Gauvain zu romantisch-sentimental, um es als ein gewöhnliches »Verhältnis« abzutun. Jedesmal, wenn ich von einer meiner Eskapaden zurückkehre, erkundigt er sich nach meinen Gefühlen, und ihm kann ich alles sagen, denn für mich ist er gleichzeitig ein Jugendschwarm, ein treuer Freund, ein Arzt und ein Mann, der… sehr gut eine Frau sein könnte, und somit weist er Qualitäten auf, die man nur in den seltensten Fällen in ein und derselben Person vereint findet.
    Meinen amerikanischen Freunden erzähle ich nichts, außer Ellen, die solche Geschichten für ihr Leben gern hört, wobei sie sie ausnahmslos aufs Bett reduziert; sie behauptet, sie hätte an meinem Gesicht und sogar an meinem Gang bemerkt, daß ich »fürstlich gevögelt« worden sei. »Deine entspannte Art, die Hüften zu bewegen, und in deinem Gesicht diese etwas einfältige Glückseligkeit, so was täuscht nie«, behauptet sie. Wie kann ich ihr beibringen, daß es gewiß der Sex ist, der mich bei Gauvain anzieht, daß es aber gleichzeitig auch viel mehr ist als das?
    Nichtsdestotrotz bin ich zu Sydney mit Freude und in vielerlei Hinsicht sogar mit Erleichterung zurückgekehrt. Ich hatte Lust, wieder abends im Bett mit ihm Zeitung zu lesen, die Ereignisse in der Welt zu kommentieren und unsere Dispute über Kunst oder Literatur wiederaufzunehmen. Auch sein Humor hatte mir gefehlt und unser Einverständnis ohne viele Worte. Mit ihm fand ich in meine geistige Heimat zurück: in die Welt der Intellektuellen, derjenigen, die alles, was sie erleben, analysieren, die endlos diskutieren und theoretisieren, die »sich selbst in Frage stellen«, wie Sydney gerne sagt. Gauvain lacht gerne, aber Humor ruft Unbehagen bei ihm hervor, und er ist nicht frei genug von den Realitäten des Alltags, um sich in Frage stellen zu können: Er lebt und funktioniert wie ein Wolf und träumt nicht davon, etwas anderes als ein Wolf zu sein. Er jagt, um zu leben, und wenn er daraus eine wilde Freude zieht, dann ist das ein Zugewinn. Wenn er nur Schmerz daraus gewänne, würde er nicht anders handeln. An seinem Lebensziel gibt es nichts zu diskutieren: Es besteht darin, sein Weibchen und seine Jungen zu ernähren, und seine Arbeit ist heilig, weil das seine Wolfsbestimmung ist.
    Nur

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