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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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auch in acht nehmen… falls du noch im Rennen bist: Lieber nicht mehr oben liegen beim Vögeln! Von unten sieht man das hängende Fleisch. Oder du darfst es nur noch bei stark gedämpftem Licht treiben. Je älter man wird, desto weniger kann man es sich erlauben, am hellichten Tag miteinander zu schlafen oder nackt durch ein Zimmer zu marschieren. Schau ihn dir doch mal an, wenn er geht: Er steht ganz arglos auf, der Einfaltspinsel! Er weiß nicht, daß eine Roßhaarpolsterung seinem Hintern guttäte… Okay, er ist noch schön, aber mittlerweile hat er das Rollenfach gewechselt, jetzt ist er höchstens noch ein »alternder Liebhaber«.
Mag sein, aber seine Muskeln sind nach wie vor wie gespannte Bögen auf seinen unverändert schönen Schenkeln, die aus seinem Rumpf wie die zwei Hauptäste eines Baumes hervorwachsen. Und ich liebe die Fülle seiner Schultern, die von den Jahren nicht gebeugt sind, und seinen mit kindlichen Sommersprossen übersäten Rücken, der sich genau wie sein Charakter weigert, sich zu krümmen. Und ich liebe es, meine Augen halb zu schließen, bis ich nur mehr den lachenden, zärtlichen Spalt seiner Augen, der Meerestropfen, sehe, oder in mich hineinzukriechen, wenn er selbst auch gerade da ist, und Empfindungen in mir zu lauschen, die nicht die Spur einer Altersfalte bekommen haben. Es ist mir piepegal, daß er nicht mehr seinen Torero-Hintern hat, Frau Anstandsdame, oder vielmehr du Unheilskrähe, denn die Toreros haben nicht unbedingt seinen Schwengel, ein hinreißender Schwengel, ob er nun aus Elfenbein oder aus Brotteig ist ‒ ein aufblasbarer, unermüdlicher, hellbeiger, frecher Schwengel, allzeit bereit zu hüpfen, rund und glatt wie der Stiel eines vielbenutzten Pickels, und niemals zerknittert, auch dann nicht, wenn er in den letzten Zügen liegt. Und die Toreros haben nicht unbedingt so feste, glatte Hoden wie er, immer frisch sehen sie aus, und schön dicht an der großen Astgabel sind sie angewachsen. Mit zwanzig Jahren dachte ich allen Ernstes, ich sei für dieses Kaliber nicht geschaffen. Auch nicht für diesen Rhythmus. Von meinen Aufenthalten mit Gauvain kam ich wie eine erschöpfte Reiterin, wundgescheuert und mit OBeinen, zurück. Mir genügte Jean-Christophes delikates Stummelschwänzchen oder Sydneys rührige Natter und deren mittlere Leistungen. Aber diese Zeiten sind vorbei, Madame, aber ja doch, ich stecke eine ganze Menge ein, nachdem der erste Schock überwunden ist. Kein Liebesstoß kann heftig genug sein. Und solange man nicht eine genügende Anzahl von Menschen ‒ Männer oder Frauen ‒ ausprobiert hat, weiß man nicht, wie weit man gehen kann in der Liebe. Unbekannte schlummern in uns, viele von ihnen werden nie erwachen.
Der Vorteil, einen Kormoran zu lieben, liegt darin, daß man sich nicht um Etikettefragen zu kümmern braucht. Lozerech hat kein waches Gespür für das Lächerliche oder zumindest nicht das gleiche wie ich. Er hat ein Gefühl für seine Würde, das ist etwas anderes. Die Freundin, die mir ihre Wohnung zur Verfügung stellt, hat mir auch ihre Sammlung alter Jazz- und Chansonplatten zurückgelassen, und wenn wir zu zweit zu Abend essen, schrecke ich nicht davor zurück, meinen Captain zu umschlingen und sämtliche sentimental journeys meiner Jugend check to check mit ihm zu tanzen. Ich werde zu einer paperdoll, seiner Georgia on his mind, er ist under my skin, und wir wiegen unsere Sehnsüchte… Wie zwei alte Affen, sagt die Anstandsdame, oder wie zwei junge Affen, oder sagen wir ganz einfach wie zwei Affen, die die Fähigkeit haben, gemeinsam zu alberner Affigkeit zurückzufinden. In regelmäßigen Abständen nähern sich seine Lippen meinem Mund und flanieren auf ihm herum, als hätten sie ihn noch nie erlebt.
»Das ist nicht normal, daß du so gerne küßt, Lozerech. Ich wette, daß dir deine Mutter einen Schnuller in den Mund gesteckt hat, bis du mindestens sieben Jahre alt warst.«
»Nein, nein, nicht daß ich das besonders mag, aber es ist das beste Mittel, dich dahin zu bringen, wo ich dich haben möchte.«
Wir lachen albern… Ich presse ihn fester an mich. An unser Aussehen möchte ich lieber nicht denken. Wenn Loïc, wenn Frédérique mich durch die Scheibe beobachten könnten! Einzig mein geliebter François würde nicht kritisch urteilen. Aber warum denke ich an das Bild, das ich abgebe? Ich habe Urlaub von meinem Bild und schrecke vor nichts zurück: nicht vor dem knisternden Holzfeuer im Kamin, nicht vor den Kerzen auf dem

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