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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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einen Diamanten?« sagt er mit einem entzückten und beschämten Lächeln, während ich eine sehr lange goldene Kette auspacke, die aus dicken, regelmäßigen Gliedern besteht wie bei einer Ankerkette. Ich weiß sofort, daß sie mir gefällt. »Ich hätte lieber ein Schmuckstück für dich ausgesucht als eine schlichte Kette, aber ich hab' ja nie was kapiert von deinem Geschmack, da hatte ich Angst, ich mach' 'nen Fehler. Und schon der Gedanke an dein Gesicht, wenn ich dir was bringe, was du am liebsten in den Papierkorb schmeißt…«
»Ooh! Sieht man mir's denn so sehr an?«
»Du machst wohl Witze! In solchen Situationen lächelt dein Mund, wenn man so was überhaupt lächeln nennen kann, aber man sieht doch die Verachtung in deinen Augen… Man möchte im Erdboden versinken. Man fühlt sich als der letzte Mensch, und das Schlimmste ist, daß man gar nicht weiß, warum. Zum Beispiel die lederne Handtasche letztes Mal, die hat dir sicher nicht gefallen, ich hab' sie nie wieder gesehen!«
Ich lache, um nicht antworten zu müssen, und hüte mich, ihm zu gestehen, daß ich sie meiner Concierge geschenkt habe, weil das orangefarbene Futter aus Kunstseide mich wahnsinnig machte und der vergoldete, mit Brillanten besetzte Verschluß mir Pickel verursachte.
»Ich verstehe gar nicht, wie du mich überhaupt noch lieben kannst mit meinem komplizierten Geschmack, meinem intellektuellen Gehabe und meinem ›Snobismus‹. Zum Glück bin ich auch eine Sexbesessene, was?
»Zeig mir das doch mal, ich erinnere mich nicht! Und leg deine Kette um, Karedig, ich möchte sie auf deiner nackten Haut sehen. Nächstes Jahr schenke ich dir den Anker dazu, damit du nicht mehr abhauen kannst.«
Ich hatte vergessen, was die erste Nacht mit einem Piraten sein kann, der seit Monaten keine Frau mehr gesehen hat, und dabei hat uns das Leben ein sonderbares Geschenk gemacht: Wir haben mehr erste Nächte erlebt als zehnte! Mit zwanzig konnte ich ihn im Grunde nur verlassen, weil ich damals dachte, ich würde weitere Liebhaber dieses Kalibers finden. Inzwischen weiß ich, daß sie zu selten sind, als daß man hoffen könnte, zwei im Laufe eines Lebens zu entdecken. Wir brauchten die ganze Nacht, um uns von unserem Verlangen zu befreien. Jedes ausgesprochene Wort, jede angedeutete Geste war schon »präorgastisch« so würde Ellen es nennen. In pseudopoetischen Worten würde man sagen, daß »alles unsere Glut entfachte«, ich bot ihm meine lustgeschwellten Lippen, und er umschlang mich fieberhaft, wie es die Romanschriftsteller ausdrücken, die Angst vor dem haben, was sich unterhalb der Gürtellinie abspielt, und die geflissentlich übersehen, daß das Geschlecht eng mit dem Gehirn in Verbindung steht!
Aber dieses Buch hier macht nicht bei der oberen Körperhälfte halt. Also muß ich gestehen, daß der echte Entfacher unserer Glut… ja, natürlich, die Liebe war es. Einverstanden. Aber was bringt es zu schreiben: »Er schlief mit mir«? In Wahrheit war es sehr präzise Gauvains Daumen, der sich in meinen Tunnel vorgewagt hatte, während sein Mittelfinger den Knopf meines Schwalbenschwanzkleides befummelte und seine andere Hand meine Vorgärten des Herzens streifte; indessen verhärtete sich sein Dorn, sein Stachel, sein Schwert und schlug aus, sobald meine Hände oder meine Lippen fündig wurden ‒ wobei ich mich für diese poetischen Ausdrücke des Mittelalters absichtlich entscheide, um meine Anstandsdame nicht zu alarmieren, denn sie wird mit zunehmendem Alter bösartiger. Muß ich es bedauern, daß ich nichts Moderneres, nichts Emanzipierteres, nichts Gewagteres zu beschreiben habe? Muß ich es beklagen, daß wir uns ‒ ich gebe es ja zu ‒ auf solch primitive Manipulationen beschränkt haben? Dabei weiß ich doch, was ein Erotik-Autor, der diesen Namen verdient, bringen muß; daß er seinen Helden beschreiben muß, wie er dem Partner oder der Partnerin beim Defäkieren zusieht und wie er sich nur dann ergießen kann ‒ wie diese Herren so anmutig sagen ‒, wenn sie schwarze Strapse trägt oder wenn er ihr ins Gesicht uriniert hat. Diese kindischen und perversen Gepflogenheiten bereiten, sagt man, fürstliche Wollust. Nun, wir beide haben nur die nichtadeligen Freuden genossen, aber sie haben genügt, um unsere Seele zu beflügeln. Sie haben mich außerdem mit meiner Scheide versöhnt und von jener unheilvollen Meute von Schreiberlingen befreit, die ich so lange in Sydneys und seiner Freunde Fahrwasser schätzen zu müssen glaubte.

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